Medizin

Magenkrebs: Helicobacter pylori beschleunigt Stammzellen­regeneration

  • Mittwoch, 23. August 2017
/Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie, Berlin
Magendrüsen nach Helicobacterinfektion im Querschnitt. Zellwände sind in grüner Farbe und Zellkerne in blauer Farbe dargestellt. /Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie, Berlin

Berlin – Eine Helicobacterinfektion kann für die Entwicklung von Magenkrebs verant­wortlich sein. Diesen direkten Zusammenhang zwischen der Infektion und einer beschleunigten Stammzellenregeneration innerhalb der Magendrüsen stellt eine Studie in Nature jetzt erstmals her (2017; doi: 10.1038/nature23642). Unter dem Einfluss des Bakteriums erhöht sich die Anzahl der Zellen mit Stammzellpotenzial und mit ihnen das Risiko einer pathologischen Veränderung, berichten Wissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin, vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie und der Stanford School of Medicine, Kalifornien.

Infektionen mit dem Magenbakterium Helicobacter pylori gelten als wichtigster Risikofaktor für das Entstehen von Magenkrebs. Die im Magen befindlichen Drüsen werden alle ein bis zwei Wochen komplett ersetzt. Wie eine bakterielle Infektion unter diesen Umständen zu langfristigen Veränderungen und zu einer vermehrten Zellteilung im infizierten Gewebe führen kann, war bislang unklar. Den bisher unbekannten Mechanismus konnten Forschern um Michael Sigal und Thomas F. Meyer erstmalig entschlüsseln.

„In der Basis der Drüsen finden sich langlebige Stammzellen, die stetig neue Zellen generieren“, erklärte Sigal. Ziel sei es gewesen, sowohl ihre Identität zu bestimmen, als auch die Prozesse, die ihre Regeneration steuerten, so der Studienleiter weiter. Die Charakterisierung der Stammzellen hat gezeigt, dass es zwei unterschiedliche Stamm­zellarten im Magen gibt. Beide sind positiv für den Marker Axin2. „Wir haben heraus­gefunden, dass die Zellen, die sich direkt unterhalb der Drüsen befinden, ein spezifi­sches Molekül namens R-spondin 3 produzieren.

Dieses beeinflusst die Funktion der Stammzellen maßgeblich. Es aktiviert die Zellteilung in einer Teilpopulation der Stamm­zellen und steigert dadurch die Regerationsgeschwindigkeit der gastrischen Drüsen“, erklärte der Berliner Wissenschaftler. Eine Infektion mit Helicobacter pylori führt dazu, dass die Produktion von R-spondin ansteigt und die Stammzellaktivität zunimmt. Es ist zu vermuten, dass eine langfristig erhöhte Stammzellenteilung die Krebsentstehung direkt begünstigt.

Im Rahmen der Studie haben die Forscher unter anderem die Stammzellen des Magens im Tiermodell charakterisiert. Ebenfalls zum Einsatz kamen ein Modell der Infektion mit Helicobacter pylori, das die ersten Vorstufen der Krebsentwicklung im Menschen nachempfindet sowie Experimente mittels sogenannter Organoide. Hierbei handelt es sich um Zellkulturen, die aus menschlichen und tierischen Stammzellen direkt aus dem Magengewebe gewonnen wurden.

Während lange bekannt ist, dass bestimmte Viren Krebs auslösen können, indem sie Gene in die Wirtszelle einschleusen, werden auch Bakterien als Auslöser von Krebs­erkrankungen untersucht, wobei die zugrundeliegenden Mechanismen weniger klar sind. Jetzt konnten die Teams um Sigal und Meyer das bislang geltende Dogma überwinden, bakterielle Infektionen würden lediglich Zellen an der Oberfläche beeinflussen. „Helicobacter pylori verursacht eine lebenslange Infektion und steigert die Anzahl der langlebigen Zellen mit Stammzellpotenzial in den Drüsen des Magens. Die Geschwindigkeit der Stammzellteilung ist erhöht, was letztlich in pathologischen Veränderungen des Epithels resultiert“, folgert Sigal.

„Die Studie gibt uns einen besseren Einblick in die Mechanismen, die Magenkrebs auslösen können. Sie gibt uns auch allgemeinere Hinweise darauf, wie chronische bakterielle Infektionen die Gewebefunktion stören und so das Krebsrisiko erhöhen können“, fügte Meyer hinzu. Mit seinen Kollegen beschäftigt er sich seit vielen Jahren mit den krankmachenden Eigenschaften des Bakteriums Helicobacter pylori und seinem Einfluss auf die Magenoberfläche, das Epithel.

gie/idw

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung