Politik

Maskenbericht mit Schwärzungen an Haushaltsausschuss übermittelt

  • Dienstag, 24. Juni 2025
/raquel, stock.adobe.com
/raquel, stock.adobe.com

Berlin – Nach mehrwöchiger Debatte hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) den Bericht einer Sonderermittlerin über die Beschaffung von Coronaschutzmasken mit Schwärzungen ans Bundesfinanzministerium (BMF) herausgegeben.

Dieses leitete das mehr als 180-seitige Dokument, das als Verschlusssache eingestuft ist, an den Haushaltsausschuss weiter. Es liegt dem Deutschen Ärzteblatt vor, samt einer BMG-Stellungnahme, in dem der Bericht deutlich kritisiert wird.

Der Haushaltsausschuss will sich in seiner Sitzung morgen Nachmittag mit der Medienberichterstattung über die Ergebnisse der Sonderbeauftragten Margaretha Sudhof (SPD) befassen. Sprechen soll dabei auch Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU).

Zudem haben die Fraktionen von Union und SPD angeboten, dass sich der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) äußert. Darüber hinaus ist im Bundestag morgen und übermorgen je eine Aktuelle Stunde zum Thema Maskenbeschaffung geplant.

Spahn begrüßte, dass der Bericht nun an den Bundestag ging. Er sei froh, dass der Text nun gelesen werden könne, sagte der Unionsfraktionschef in Berlin. „Vor allem kann man das jetzt sachlich und fachlich bewerten.“ Er war in den vergangenen Wochen zunehmend unter Druck geraten, nachdem Auszüge aus dem Sudhof-Bericht über unterschiedliche Medien an die Öffentlichkeit gelangt waren.

Dem damaligen Bundesgesundheitsminister wird darin unter anderem vorgeworfen, er habe sich „nachweislich gegen den Rat seiner Fachabteilungen, sich fachfremd und ohne Arbeitsmuskel mit Milliardensummen auf dem Gebiet der Beschaffung betätigen“ wollen. Dies ziehe bis heute erhebliche Kosten und Risiken nach sich.

Kritik an Spahns Beschaffungsbemühungen

Kritisiert wird Spahn zudem wegen der Preisfestsetzung für Masken sowie für die Beauftragung eines Logistikunternehmens aus seinem Nachbarwahlkreis. Das Unternehmen war Sudhofs Bericht zufolge im April 2020 „außerstande“, die gelieferten Mengen zu bewältigen, Beschwerden häuften sich.

Aus heutiger Sicht, so steht es im Bericht, sei „schwerlich nachvollziehbar, dass Transaktionen in Milliarden-Euro-Volumen ausschließlich im selben ministeriellen Strang verantwortet wurden“.

„Viele Aktivitäten gingen an die Grenzen der rechtlichen Vorgaben, was in der Gesamtheit durchaus Fragen aufwirft“, heißt es zudem in der Zusammenfassung zu den Vergabeaktivitäten des BMG. So sei etwa Expertise von Logistikern des Beschaffungsamtes des Bundesinnenministeriums (BMI) ignoriert oder übergangen worden.

Selbst nachdem viele der zuvor geäußerten Befürchtungen eingetreten seien, habe man keine Unterstützung durch im Bund vorhandene Expertise eingeholt, sondern weiter auf externe Beratung von Kanzleien oder Beratungsgesellschaften vertraut. Im Sudhof-Bericht wird betont, dass nun wieder ein Fokus auf „Eigenbefähigung des BMG“ gelegt werden sollte.

Die Sonderermittlerin, vormals in mehreren Ministerien als Staatssekretärin beschäftigt, bescheinigt Spahn und den anderen damals Verantwortlichen der Bundesministerien und der nachgeordneten Dienststellen aber zum Beispiel auch, „jenseits der persönlichen Rücksichtnahme Unvorstellbares“ zu leisten gehabt zu haben. Die Pandemie habe für Staat und Gesellschaft eine der größten Herausforderungen seit dem Zweiten Weltkrieg dargestellt.

Einige Seiten umfangreich geschwärzt

Der Bericht stützt sich, so wird es eingangs beschrieben, unter anderem auf zur Verfügung gestellte Unterlagen sowie auf Gespräche mit Fachleuten, teils aus dem BMG.

Betont wird, dass es sich um eine Momentaufnahme handle und die Feststellungen angesichts von Lücken in den Unterlagen unter Vorbehalt stünden. Der Bericht enthält eine Chronologie zur Entwicklung der Pandemie und zu Entscheidungsabläufen rund um die Beschaffung von Schutzmaterialien. Beteiligt waren neben Sudhof zwei Beamtinnen aus dem Bundesverteidigungsministerium (BMVG).

Die Schwärzungen scheinen größtenteils Namen von Personen, Kanzleien sowie von Unternehmen zu betreffen – es gibt aber auch einige Seiten, die komplett oder etwa zur Hälfte unkenntlich gemacht wurden. Auch einige Quellenangaben sind geschwärzt.

Dazu erklärt das BMG in seiner begleitenden Stellungnahme an den Haushaltsausschuss, es gehe um „berechtige Schutzinteressen, wie Persönlichkeitsrechte, Dienst- und Geschäftsgeheimnisse sowie die Durchführung laufender Gerichtsverfahren“.

Der Linken-Haushaltspolitiker Dietmar Bartsch kritisierte „die teilweise seitenweise Schwärzungen“ durch das Ministerium. „Die Gesundheitsministerin sollte die politischen Spielchen beenden und den Maskenbericht vollständig veröffentlichen“, sagte er. Der Eindruck entstehe, als solle ein Parteifreund geschützt werden. „Das untergräbt das Vertrauen in die Politik insgesamt.“

Das BMG hatte ursprünglich geplant, den Bericht der Sonderermittlerin nicht im Original an den Ausschuss weiterzugeben, sondern lediglich eine Erklärung auf Grundlage von Sudhofs Arbeitsergebnissen. Das war mit laufenden Gerichtsverfahren und Persönlichkeitsrechten von im Bericht genannten Menschen begründet worden. Nach Kritik daran hatte Warken kürzlich angekündigt, den Bericht mit Schwärzungen zu übermitteln.

BMG bezieht Stellung

Das BMG bezieht in seiner Stellungnahme an den Ausschuss zur Kritik in den Medien Stellung und widerspricht einzelnen Aussagen aus dem Sudhof-Bericht. Es bewertet die Entscheidung für eine Beschaffung durch das BMG als „sachgerecht“, ebenso wie das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb im Fall des Logistikunternehmens. „Eine Überbeschaffung lag aus damaliger Sicht nicht vor“, heißt es weiter.

Die zuständigen Beschaffungsämter seien mit der Aufgabe „ebenfalls extrem gefordert“ gewesen und hätten kurzfristig nicht die geforderten Ergebnisse erzielen können. „Die Durchschnittspreise, die der Bund für Masken bezahlt hat, waren zum damaligen Zeitpunkt nachvollziehbar.“

Das BMG betont weiter, dass das damalige Handeln des Bundes „u.a. auf der Grundlage von Beschlüssen der Bundesregierung, ihres Krisenstabs, des Beschaffungsstabs sowie von Ministerpräsidenten- und Gesundheitsministerkonferenz (MPK/GMK)“ erfolgt sei. „Selbst bei sich realisierenden Risiken sollte stets das Ziel der Versorgungssicherheit der Bundesrepublik Deutschland erreicht werden können.“

Methodik und Quellen Sudhofs beschreibt das Ministerium als unklar. „Es werden teilweise Tatsachen vorgetragen, die durch Quellen nicht untermauert sind. Nur vereinzelt konnten Quellen rekonstruiert werden“, heißt es.

Das Mitglied des Haushaltsausschusses Paula Piechotta (Grüne) kommentierte die BMG-Stellungnahme auf X: Es falle auf, dass Sudhof als Person diskreditiert werden solle, „weil man die Argumente in ihrem Bericht nicht sachlich widerlegen kann“.

Spahn hatte zuletzt viele der damaligen Entscheidungen verteidigt und betont, dass es um die Rettung von Menschenleben gegangen sei. Die Vorwürfe aus dem Sudhof-Bericht kannte Spahn nach eigenen Worten nur aus den Medien, er sei auch nicht von ihr befragt worden. Teils werden Äußerungen Spahns im Sudhof-Bericht aus Medienquellen wiedergegeben.

Eine Überbeschaffung durch das BMG zu Beginn der Pandemie war in der Vergangenheit auch schon vom Bundesrechnungshof moniert worden. Dem Sudhof-Bericht zufolge bildet sich das Volumen von elf Milliarden Euro aktuell noch nicht in voller Höhe, sondern mit über sieben Milliarden Euro im Bundeshaushalt ab – dies sei darauf zurückzuführen, dass teils Lieferungen trotz Vertragsabschluss nicht erfolgten.

„Weitere erhebliche Risiken stehen allerdings heute, also fast fünf Jahre nach der Pandemie, noch aus und werden sich absehbar künftig noch im Bundeshaushalt niederschlagen“, heißt es.

Der Haushaltsausschuss hatte die Bundesregierung bereits Ende September des vorigen Jahres aufgefordert, über die Gründe für die massive Überbeschaffung von Schutzmasken während der Coronapandemie zu berichten. Sudhof war von Warkens Vorgänger, Karl Lauterbach, eingesetzt worden. Ihr Bericht ist mit „Januar 2025“ überschrieben.

Einheit im BMG soll Empfehlungen Sudhofs auswerten

In der BMG-Stellungnahme zum Sudhof-Bericht heißt es: „Der genaue Zeitpunkt der Fertigstellung bzw. Übergabe des Abschlussdokuments und dessen Empfänger sind unklar. Insbesondere ist der aktuellen Hausleitung nicht zweifelsfrei nachvollziehbar, wann und wem alles Frau Dr. Sudhof ihr erstelltes Papier übergeben hat.“

Warken selbst erhielt laut dem Schreiben keine diesbezüglichen Unterlagen von Lauterbach und es sei auch mündlich nicht Gegenstand der Amtsübergabe gewesen. Das BMG erklärt weiter, es werde eine Organisationseinheit geschaffen, die eine Aufarbeitung vornehmen solle und dabei auch Empfehlungen Sudhofs auswerten und bewerten werde.

Es sei der aktuellen Hausleitung wichtig, „dass die laufenden Zivilprozesse effektiv und erfolgreich abgeschlossen werden, Verbesserungen insbesondere im Hinblick auf Dokumentationen im Haus erfolgen und Deutschland für eine etwaige Pandemie gut aufgestellt ist“, so die Begründung. Diese Einheit werde auch die zu Fragen der Coronapandemie geplante Enquete-Kommission inhaltlich begleiten.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann nannte den Sudhof-Bericht eine „ziemliche Räuberpistole“. Fakten würden teilweise weggelassen und verdreht. „Das war kein neutrales Gutachten, sondern parteipolitisch motiviert.“

ggr/dpa

Diskutieren Sie mit:

1

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Kommentare (1)

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung