Politik

MDS: Ärzteschaft soll Fehlentwicklungen bei IGeL-Leistungen beseitigen

  • Dienstag, 12. Juli 2016
Uploaded: 19.02.2013 13:53:25 by mis
Die Akupunkturbehandlung bei Schwangerschaftsbeschwerden oder zur Geburtsvorbereitung ist eine IGeL-Leistung, die der MDS als „unklar“ einstuft. /dpa

Berlin – Gut 50 Prozent aller Patienten wurde schon einmal eine Individuelle Gesund­heits­leistung (IGeL) von ihrem Arzt angeboten, oder sie haben selbst danach gefragt. 28 Pro­zent haben daraufhin eine IGeL-Leistung in Anspruch genommen. Das geht aus einer Evaluation des IGeL-Monitors hervor, deren Ergebnisse heute vom Medizinischen Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) vorgestellt wurden. An der Be­fra­gung nahmen 2.149 Menschen teil.

Zwei Drittel der Patienten, denen schon einmal eine IGeL-Leistung angeboten wurde, sind demnach der Ansicht, IGeL-Leistungen seien kritisch zu sehen. Unzufrieden waren diese Patienten der Umfrage zufolge vor allem mit der Aufklärung über den möglichen Schaden einer IGeL-Leistung. So erklärten nur 26 Prozent der Patienten, denen schon einmal eine IGeL-Leistung angeboten wurde, sie seien mit der Information über den Schaden zufrieden gewesen. 44 Prozent waren darüber hinaus zufrieden mit der Infor­mation über den Nutzen und 52 Prozent mit dem Verhalten des Arztes.

Pick zitierte Zahlen des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO). Demnach verdien­ten Ärzte jedes Jahr etwa eine Milliarde Euro durch IGeL-Leistungen. Zudem würden dem WIdO zufolge vor allem fünf Arztgruppen IGeL-Leistungen anbieten: Frauen-, Augen- und Haut­ärzte, Orthopäden sowie Urologen.

Pick moniert Verkaufsverhalten
Der Geschäftsführer des MDS, Peter Pick, kritisierte die Ärzte, die ihren Patienten offen­siv IGeL-Leistungen anbieten. „Für manche Facharztgruppe ist das IGeLn zum Volks­sport geworden“, meinte er. Information und Aufklärung gerieten in der Praxis dabei manch­mal in den Hintergrund. „Zwar erkennen wir an, dass ein Teil der Ärzteschaft zu­nehmend zurückhaltender mit IGeL umgeht und Patienten bei der Abwägung von Vor- und Nachteilen unterstützt und ihnen so eine freie Entscheidung ermöglicht“, fuhr Pick fort. Ein anderer Teil der Ärzteschaft praktiziere andererseits aber einen bisweilen aggres­siven Verkaufsdruck und nutze dafür sein Praxispersonal.

„Dieser Teil der Ärzteschaft ist aufgefordert, sich an die Empfehlungen der Bundesärzte­kammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zu halten, die sie in Zusammen­arbeit mit dem Deutschen Netzwerk Evidenzbasierte Medizin aufgestellt haben“, so Pick. Diese Empfehlungen könne der MDS „voll gegenzeichnen“. Sie würden jedoch leider nicht von allen Ärzten befolgt. Deshalb reiche es nicht aus, nur einen gemeinsamen Leit­faden zu veröffentlichen. Die Ärzteschaft müsse stattdessen stärker ihr Augenmerk da­rauf richten, die Fehlentwicklungen bei den IGeL-Leistungen zu beseitigen.

KBV wehrt sich gegen Generalverdacht
„Es ist falsch, IGeL unter Generalverdacht zu stellen. Im individuellen Patientenfall können IGeL durchaus medizinisch sinnvoll sein“, kommentierte der Vorstandsvor­sitzen­de der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, die Ausführungen Picks. „Im Sinne eines guten Vertrauensverhältnisses zu seinen Patienten werden Ärzte unter medizinischen Gesichtspunkten Empfehlungen abgeben. Natürlich muss der Patient ausreichend Zeit haben, um über das Angebot entscheiden zu können.“ Die Versichertenbefragung der KBV habe im Übrigen im vergangenen Jahr gezeigt, dass IGeL von Patienten nachgefragt werden.

Pick kritisierte auch, dass manche Krankenkassen IGeL als Satzungsleis­tun­gen anbie­ten. „IGeL sind auch bei Krankenkassen ein Wettbewerbsfeld. Wir sind aber nicht glück­lich, wenn von uns negativ bewertete IGeL von Krankenkassen bezahlt wer­den.“

Ein Verbot von IGeL-Leistungen hält Pick jedoch nicht für erfolgversprechend. „Wir setzen stattdessen auf Aufklärung“, sagte er. „Wenn sich jemand entscheidet, zum Bei­spiel eine Akupunktur machen zu lassen, obwohl dafür die Evidenzbasis gering ist, dann neigen wir nicht dazu, das zu verbieten. Aber es sollte eine bewusste Entscheidung sein. Und man sollte dann nicht glauben, diese Leistung habe einen hohen medizinischen Nutzen.“

Im sogenannten IGeL-Monitor, dessen Evaluation heute vorgestellt wurde, bewertet der MDS ausgewählte IGeL-Leistungen. Bislang hat der MDS 41 dieser Leistungen beschrie­ben und deren Nutzen und Schaden anhand von vorliegenden Studien­ergebnissen mit den Begriffen „positiv“, „tendenziell positiv“, „unklar“, „tendenziell negativ“ und „negativ“ bewertet.

17 IGeL-Leistungen hat er dabei als „negativ“ oder „tendenziell negativ“ eingestuft, zum Beispiel die Gabe von Glukokortikoiden bei einem Hörsturz. Bei 15 Bewertungen kam der MDS zu dem Ergebnis „unklar“, zum Beispiel bei ergänzenden Ultraschall­untersuchungen in der Schwangerschaft. Und drei IGeL-Leistungen wurden bislang als „tendenziell posi­tiv“ eingestuft, darunter die Lichttherapie bei saisonal depressiver Störung.

fos

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