Medizin

Mehr braunes Fett könnte Adipositas- und Diabetes-Therapie begünstigen

  • Sonntag, 5. März 2017
Uploaded: 03.03.2017 11:48:19 by gießelmann
Zunehmende Aktivität des braunen Fettgewebes in vier Patienten (v.l.n.r). Die oberen Panels zeigen axiale Schnitte von FDG-PET/CT-Aufnahmen, die unteren zeigen koronare Schnitte des FDG-PET-Signals. / Journal Nuclear Medicine 2017

München – Die Masse braunen Fetts im Menschen ist mindestens dreimal größer, als bisher bekannt war. Zu diesem Ergebnis kamen Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) in einer retrospektiven Studie im Journal Nuclear Medicine mit mehr als 1.600 Patienten (2017; doi: 10.2967/jnumed.116.183988). Von neuen Adipositas- und Diabetes-Medikamenten, die das braune Fettgewebe aktivieren, ist deshalb eine stärkere Wirkung zu erwarten.

Die Forscher um Erstautor Carlos Gerngroß haben fast 3.000 Positronen-Emissions-Tomographie-(PET-)Scans ausgewertet. Als Nebenprodukt wurde dabei bei 81 Patienten auch aktives braunes Fettgewebe sichtbar, das viel Zucker aufnimmt (brown adipose tissue, BAT). Die durchschnittliche Masse lag bei etwa 170 g (siehe Kasten). Da aus­schließlich aktives braunes Fett mittels PET detektierbar ist, könne man jedoch von einem höheren Wert ausgehen. Betrachtet man nur jene 32 Patienten, bei denen sämtliche BAT-Depots aktiviert sind, resultiere eine BAT-Masse von gut 300 g. Und selbst das könnte noch eine Unter­schätzung sein, vermutet Tobias Fromme vom Else-Kröner-Fresenius-Zentrum der TUM. „Bei Modellrechnungen gehen Forscher von weit weniger braunem Fett aus, 0,05 bis 0,1 Prozent“, erklärt Fromme. Das entspräche nur 70 g BAT-Depots bei 70 kg Körpergewicht.

Aktives braunes Fett lässt sich therapeutisch nutzen

Die unerwartet hohen BAT-Depots könne man therapeutisch nutzen, sind sich die For­scher sicher. Es wäre beispielsweise vorstellbar, dass bei Diabetikern mithilfe der hohen Aktivität des braunen Fettes über ein Medikament der überschüssige Zuckeranteil im Blut reduziert wird, erklärt Fromme. Ebenso wäre denkbar, bei Patienten mit Adipositas die hohe Energieverbrennung durch braunes Fett zu nutzen, um überschüssige Pfunde zum Schmelzen zu bringen – zumindest teilweise. „Die Prognose für die Wirkung von Medikamenten, die in das braune Fettgewebe eingreifen, kann nach oben korrigiert werden“, sagt der Wissenschaftler. Bisher seien solche Medikamente noch nicht ver­fügbar, einige Pharmafirmen würden jedoch schon daran forschen.

Uploaded: 03.03.2017 11:53:00 by gießelmann
Patient mit aktivem braunen Fett in verschiedenen Ansichten/Regionen. A und C sind „maximum intensity projections“ des FDG-PET-Signals, B zeigt axiale Schnitte einer FDG-PET/CT-Aufnahme. / Carlos Gerngroß

Braunes Körperfett wird unterschiedlich stark aktiviert

Dass das braune Fett bei manchen Per­sonen aktiver ist als bei anderen oder insgesamt in größerer Fülle vorhanden ist, zeigte sich ebenfalls bei der Analyse der PET-Scans. Laut Vorläuferstudien haben Frauen zudem häufiger aktiveres braunes Fett als Männer. Auch schlanke und jüngere Menschen profitieren von einem höheren braunen Fettanteil. Bei Beleibteren und älteren Personen hin­gegen reagiert das braune Fett weniger aktiv. „Bei etwa fünf Prozent der Patien­ten kommt aktives braunes Fett weitaus häufiger vor als bei der allgemeinen Bevölke­rung“, sagt Fromme – „bei ihnen zeigten 50 Prozent der Scans diese aktiven Fettgewe­beanteile.“

Für den Wissenschaftler steckt darin eine mögliche Erklärung für das Phänomen, warum die einen bei einem zusätzlichen Stück Torte schon zunehmen, während anderen die süße Schlemmerei nichts anhaben kann. Schlussendlich müsse bei Medikamenten, die das aktive braune Fettgewebe nutzen, darauf geachtet werden, dass einige von einer zusätzlichen Aktivierung des braunen Fetts stärker profitieren werden als andere, erklärt der Studienautor. Warum einige Menschen besonders aktives braunes Fett besitzen, sei derzeit noch unklar.

Ein neu entdeckter Faktor könnte sich als Schlüssel zu diesem Rätsel erweisen: Wie die Wissenschaftler erstmals zeigen konnten, wird die Braunfett-Aktivität durch eine Größe namens Kreatinin-Clearance beeinflusst, die mit der Nierenfunktion in Zusammenhang steht. „Es sind weitere Grundlagenstudien notwendig“, sagt Fromme – „aber eine These ist, dass es Signalstoffe geben könnte, die sowohl auf das braune Fett als auch die Nieren wirken.“

gie/idw

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