Politik

Mehr junge COVID-19-Patienten auf den Intensivstationen als im Frühjahr

  • Dienstag, 3. November 2020
/picture alliance, LaPresse via ZUMA Press, Claudio Furlan
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Hamburg/Groningen – Immer mehr junge COVID-19-Patienten müssen auf der Intensiv­station behandelt werden. Davon berichtet der Direktor der Intensivmedizin am Univer­sitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Stefan Kluge.

Anders als bei der ersten Pandemiewelle im Frühjahr seien dieses Mal viele Jüngere be­troffen, sagte der Professor heute dem Radiosender Bayern 2: „Wir betreuen mehrere Pa­tienten deutlich unter 50 Jahren und teilweise ohne Vorerkrankungen.“

Kluge, der auch Präsidiumsmitglied der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für In­ten­siv- und Notfallmedizin (DIVI) ist, wies darauf hin, dass die Entwicklung bei der Zahl der Intensivpatienten der der Infizierten um mehrere Tage hinterherlaufe: „In wenigen Tagen werden wir, was die Zahl der Krankenhauspatienten angeht, die erste Welle über­treffen. Und das ist besorgniserregend.“

Dramatische Lage in Belgien

Noch dramatischer ist die Lage in Belgien, wie Thomas Scheeren berichtete, der als In­ten­sivmediziner an der Reichsuniversität im niederländischen Groningen arbeitet.

„Belgische Kollegen berichten, dass sie schon nicht mehr die Entscheidung treffen, ob sie 60- oder 70-Jährige beatmen, sondern sich aufgrund der vollständigen Überlastung ein­zel­ner Kliniken schon entscheiden müssen, ob sie einem 30-Jährigen oder einem 50-Jäh­rigen das Leben retten“, sagte Scheeren am vergangenen Freitag während einer Video­kon­ferenz, die der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese organisiert hatte.

Scheeren befürchtet, dass auch die Niederlande vor einer erneuten Überlastung des Ge­sundheitswesens stehen. Er warnte vor der Verharmlosung des Coronavirus. Die Sterb­lich­keit sei zehnmal höher als bei einer Virusgrippe und neben einer Lungenentzündung ge­be es auch schweres Organversagen.

Besonders belastend sei COVID-19 für die Pflegekräfte. Nach der ersten Welle seien heute noch 20 Prozent der Pflegekräfte an seiner Klinik wegen Burnout beziehungsweise ande­rer psychischer Störungen dienstunfähig.

Liese: Verharmlosung des Virus ist unmenschlich

Liese rief dazu auf, die Belastung von Intensivmedizinern und Pflegekräften in der Coro­na­­­pandemie stärker in die öffentliche Debatte einzubeziehen. „Manche, die über Corona reden, reden wie die Blinden von der Farbe“, betonte er.

„Wer die Schilderung von Intensivmedizinern und Pflegekräften hört, kann Corona nicht mehr verharmlosen. Wir hatten schon vor der Pandemie ein Mangel an Pflegekräften, insbeson­dere in der Intensivmedizin. Wenn wir jetzt nicht wirklich solidarisch sind und Infektionen vermeiden, wird sich der Pflegekräftemangel in Zukunft dramatisch weiter verschärfen.“

Auch Liese kritisierte all jene, die das Virus verharmlosen. Es sei unmenschlich, in dieser Situation sein normales Leben weiterführen zu wollen und dabei die Haltung zu vertre­ten, dass Risikopersonen und die, die mit ihnen zu tun haben, selbst auf sich aufpassen müssten.

Liese warnte vor einer Überlastung des medizinischen Systems nicht nur in Belgien, son­dern auch in anderen europäischen Ländern. „Die Zahlen, die ich aus der Schweiz und den Niederlanden sehe, lassen Schlimmes befürchten“, sagte er.

„In Deutschland werden wir trotz besserer Ausgangsbedingungen auch nur dann eine Überlastung vermeiden, wenn die Maßnahmen, die Bund und Länder beschlossen haben, jetzt konsequent umgesetzt werden.“

fos/EB/dpa

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