Mehr Respekt vor Selbstverantwortung Älterer

Berlin − Mehr Respekt vor der Selbstverantwortung älterer Menschen hat die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, Irmgard Schwaetzer, angemahnt. Die frühere Bundesministerin und FDP-Politikerin schrieb in einem Blogbeitrag der Evangelischen Akademie zu Berlin, sie ertrage die „wohlmeinende Bevormundung“ nicht mehr, wenn über den Schutz von Risikogruppen gesprochen werde.
„Aus dem ‚wir müssen sie doch schützen‘ entsteht ein Erwartungsdruck, der auch noch von Angst getrieben wird, und der bei Vielen letztlich in die Selbstisolation führt“, so die 78-jährige promovierte Apothekerin.
Verantwortung für sich selbst übernehmen
Auch sie selbst gehöre angesichts ihres Lebensalters und den alterstypischen Einschränkungen zu den von einer Infektion besonders Gefährdeten. „Aber wie viele andere in meinem Alter auch kann und möchte ich selbst für mich Verantwortung übernehmen, möchte selbst entscheiden, wie viel Risiko ich eingehe“, sagte Schwaetzer. „Ich will mich ja selbst vor der Infektion schützen, also bin ich vorsichtig.“
Aus ihrer Sicht sei es an der Zeit, „die paternalistische Attitüde einer Argumentation zu hinterfragen, die mit der gut gemeinten Absicht, die Vulnerablen zu schützen, sie de facto von vielen sozialen Kontakten dauerhaft ausschließt.“ Boris Palmer sei nur eine besonders exponierte Stimme derer, die mit dieser Stigmatisierung einer Personengruppe nicht weniger als eine Spaltung der Gesellschaft in Kauf nähmen.
„Alle diejenigen, die mit großer Empathie und ohne jedes Gespür für Diskriminierung über die Isolation von Risikogruppen laut nachdenken, vergessen, dass wir alle in einem Boot sitzen“, so Schwaetzer.
Inzwischen sei klar, dass auch Jüngere ohne Vorerkrankungen an COVID-19 sterben. Es gebe also keinen Grund für jede Form der Diskriminierung. „Zum Lebensschutz, zu dem uns das Grundgesetz aber auch unsere Nächstenliebe verpflichtet, gehört nicht nur die physische Gesundheit, sondern auch die seelische“, so Schwaetzer.
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