Politik

Mehrheit der Kliniken kann Leistungsgruppen nicht erfüllen

  • Montag, 18. November 2024
/upixa, stock.adobe.com
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Berlin – Die Mehrheit der kleinen und mittleren Krankenhäuser in Deutschland können die geplanten Personal­vorgaben der Leistungsgruppen, die im Rahmen der Krankenhausreform eingeführt werden sollen, im Status Quo nicht erfüllen. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI).

Demnach haben 60 Prozent der Regel- und Schwerpunktkrankenhäuser angegeben, dass sie die Vorgaben über­wiegend (70 bis 90 Prozent der Vorgaben) oder nur teilweise (50 bis 70 Prozent) erfüllen können. Bei den grund­versorgenden Häusern haben 82 Prozent erklärt, dass sie die Vorgaben nicht gänzlich erfüllen können.

Sechs Prozent davon erklärten zudem, dass sie weniger als 50 Prozent der Vorgaben abbilden könnten. Bei den Maximalversorgern sieht die Situation anders aus. Hier sind es 73 Prozent, die die Vorgaben vollständig abbilden können.

Das DKI hat zudem nachgefragt, ob die Vorgaben der korrespondierenden Leistungsgruppen erfüllt werden können. Das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) sieht für die vollständige Erfüllung be­stimmter Leistungsgruppen auch die Erfüllung anderer Leistungsgruppen vor, die an einem Standort erbracht werden sollten.

In der Grundversorgung erklären nur 19 Prozent, dass sie diese Leistungsgruppen vollständig abbilden können. Bei der Regel- und Schwerpunktversorgung sind es 36 Prozent. Auch hier sind Maximalversorger besser gerüstet (67 Prozent).

Die großen Häuser gehen zudem davon aus, dass sie künftig mehr Fälle gewinnen werden (73 Prozent). Bei den Regel- und Schwerpunktversorgern sind das nur 27 Prozent. Hier geht die Mehrheit (49 Prozent) davon aus, dass die Fälle in etwa gleichbleiben werden. Von sinkenden Fallzahlen gehen vor allem die kleinen Kliniken in der Grundversorgung aus (59 Prozent).

Mehrheit der Kliniken fürchtet die Vorhaltefinanzierung

Dabei zeichnet sich ein klares Bild bei der Frage nach der Selbsteinschätzung der Kliniken, ob sie bei stag­nierenden oder sinkenden Fallzahlen durch die geplante Vorhaltefinanzierung ausreichend gegenfinanziert wären. Nur fünf Prozent gaben an, dass sie davon ausgehen. Die große Mehrheit der Kliniken (95 Prozent) hat entsprechende Vorbehalte gegenüber der Vorhaltefinanzierung.

Das zeige, die Vorhaltefinanzierung werde nicht ausreichen, erklärte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, heute bei der Vorstellung der Ergebnisse. „Wir werden existenz­bedrohliche Situationen erleben, daran wird die Vorhaltefinanzierung nichts ändern.“

Die geplante Vorhaltefinanzierung nahm das Unternehmen Vebeto aus Hamburg erneut unter die Lupe. Bei der Analyse der damit vorgesehenen Mindestvorhaltezahlen in den einzelnen Leistungsgruppen erkenne man, dass nur die wenigsten Krankenhäuser profitieren würden, sagte heute Vebeto-Gründer Hannes Dahnke. „Die meisten Kliniken würden verlieren.“

Zwar stehen die Mindestvorhaltezahlen der einzelnen Leistungsgruppen noch nicht fest. Diese Zahlen sollen in maßgeblicher Verantwortung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit (IQWIG) entwickelt und per Rechts­verordnung im kommenden Jahr festgelegt werden. Voraussetzung dafür ist, dass das KHVVG in Kraft tritt.

Rund ein Drittel der Kliniken geht von Verlusten aufgrund von Mindestvorhaltezahlen aus

Dahnke hat allerdings zur vorläufigen Berechnung angenommen, dass die Schwelle in der Grundversorgung –darunter Geburtshilfe, Pädiatrie und Geriatrie – beim 5. Perzentil liegt. Das bedeutet, dass die kleinsten Standorte, die in der Leistungsgruppe gemeinsam fünf Prozent der Fälle behandeln, unter diese Schwelle fallen und die Leistung nicht mehr anbieten dürften.

Für komplexere Leistungen in der Grund- und Regelversorgung – etwa Gastroenterologie, Urologie, Stroke Unit – hat er das 12. Perzentil, also eine Schwelle bei zwölf Prozent angenommen. Und bei allen anderen Leistungs­gruppen hat Vebeto das 20. Perzentil als Grenze definiert.

Dies zeige für ganz Deutschland, dass rund elf Prozent (182 von 1589 Kliniken) einen Zuwachs an Erlösen erhal­ten würde, wenn diese Zahlen scharf geschaltet würden.

Mehr als die Hälfte (883) würde drei Prozent weniger oder mehr Erlöse erzielen. Etwa ein Viertel (409 Kliniken) würden hingegen Verluste von drei bis 15 Prozent einfahren, erklärte Dahnke. Weitere sieben Prozent (115 Klini­ken) würden 15 Prozent und mehr Verluste verzeichnen.

Einer weiteren Umfrage zufolge sei die Bevölkerung in Deutschland im Hinblick auf die medizinische Versorgung besorgt, erklärte DKG-Chef Gaß weiter. Die repräsentative Onlineumfrage, durchgeführt vom Onlinebefra­gungs­unternehmen Civey, haben mehr als 5.000 Menschen beantwortet.

Knapp die Hälfte der Befragten sorgen sich demnach vor einer Verschlechterung der Versorgung in ihrer Heimatregion aufgrund möglicher Praxis- oder Klinikschließungen. Vor allem Menschen im Saarland, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz fürchten sich vor künftigen Krankenhausschließungen.

cmk

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