Medizin

MERS-CoV: Sequenzier-Masse statt epidemiologischer Klasse

  • Freitag, 20. September 2013

Londo – Während die MERS-Epidemie in Saudi-Arabien dahinschwelt, ohne wirklich Feuer zu fangen, beginnen sich die Wissenschaftler bei der Suche nach dem Reservoir des neuen Erregers zu blamieren. Der Auslöser, ein neuartiges Coronavirus, gehört heute zu den am besten untersuchten neuen „emerging“ Krankheitserregern. Nachdem in den letzten Monaten bereits das Erbgut von Viren aus neun unterschiedlichen Patienten entschlüsselt wurde, stellen britische Forscher jetzt die Sequenzen von 21 Viren vor.

Bei insgesamt weltweit nur 132 bestätigten Erkrankungen ist dies ein erstaunlich hoher Anteil. Doch wesentlich neue Erkenntnisse können die Forscher vom Wellcome Trust Sanger Institute nicht vorweisen. Die Unterschiede in der Gensequenz deuten zwar darauf hin, dass das Virus an unterschiedlichen Orten von Tieren auf den Menschen übertragen wurde. Doch wo genau dies geschehen ist und welche Tiere als Reservoir infrage kommen, ist weiter unklar.

Epidemiologen haben sich kürzlich in Nature sehr kritisch zu den Bemühungen der saudischen Regierung geäußert, das Reservoir zu identifizieren. Statt auf die klassische Methode zu setzen, die durch die intensive Befragung der Erkrankten einen gemein­samen Nenner zu finden versucht, etwa den Kontakt mit bestimmten Tierarten oder den Besuch derselben Orte, würde mit hohem (auch finanziellem) Aufwand eine ungezielte Suche betrieben.

Neben Kamelen (wo bereits Antikörper, aber keine Erreger) und Fledermäusen (wo nur ein einziges infiziertes Tier identifiziert wurde) werden derzeit mit großem technischen Aufwand Ziegen, Hunde, Katzen, Nager und andere auf der arabischen Halbinsel heimische Tiere gescreent.

Die chinesischen Behörden waren nach Ansicht vieler Epidemiologen bei der Suche nach dem Reservoir des neuen Vogelgrippevirus H7N9 cleverer. Schon nach wenigen Wochen konnten sie Geflügelmärkte als Quelle identifizieren und durch deren Schließung die Überträger ausschließen. Immerhin scheint die Gefahr einer MERS-Epidemie gering zu sein.

Diese Erkenntnis ist aber ebenfalls nicht den Gensequenzierungen zu verdanken, sondern der klassischen Beobachtung, die auf eine niedrige Reproduktionsrate schließen lässt, sowie der bisherigen Erfahrung, dass weder beim letzten Hadsch im Oktober 2012 noch bei der kleineren Pilgerfahrt im diesjährigen Ramadan etwas passiert ist.

rme

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