Migrations-Stress führt (nur in den ersten Jahren) zu erhöhtem Cortisolspiegel
Münster – Flüchtlinge, die zuletzt in Deutschland eingetroffen sind, wiesen in einer Untersuchung in Translational Psychiatry (2017; 7: e1051) deutlich höhere Cortisolkonzentrationen in Haarproben auf als Einheimische oder Migranten, die schon länger in Deutschland leben.
Cortisol ist das Endprodukt der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse oder Stressachse. Das Hormon lagert sich im Haarschaft ab. Die Konzentration in einer Haarprobe gilt als ein guter Maßstab für den Stress, dem ein Mensch über den Zeitraum des Haarwachstums ausgesetzt war.
Zu den Menschen, die einem erhöhten Stress ausgesetzt sind, gehören zweifellos Flüchtlinge. Die meisten haben nicht nur in ihren Heimatländern und auf der Flucht traumatische Erlebnisse erlitten. Auch die erste Zeit in den Aufnahmeländern, die von Sprachproblemen, Diskriminierung und der Trennung von ihren Angehörigen sowie der Sorge um die eigene Zukunft geprägt ist, ist für viele Asylsuchende schwierig.
Ein Team um Urs Nater von der Universität Marburg war deshalb nicht überrascht, als sie in den Haarproben von 56 Asylsuchenden aus dem Mittleren Osten erhöhte Cortisolkonzentrationen in den Haarproben nachwiesen. Die mittlere Konzentration betrug 8,67 pg/mg und war damit um 42 Prozent höher als in einer Vergleichsgruppe aus der einheimischen deutschen Bevölkerung. Noch niedriger waren die Cortisolspiegel in einer dritten Gruppe von türkisch-stämmigen Migranten, die schon seit Längerem in Deutschland leben.
Zur Überraschung der Forscher hatten die türkisch-stämmigen Migranten eine um 23 Prozent niedrigere Cortisolkonzentration im Haar als die Menschen deutscher Herkunft. Frühere Untersuchungen hatten gezeigt, dass Immigranten auch nach längerer Zeit in ihrer neuen Heimat einem erhöhten Stress ausgesetzt sind.
Eine weitere Überraschung war, dass Migranten, die unter einer posttraumatischen Belastungsstörung litten, keine höheren Cortisolkonzentrationen hatten als Migranten, die nicht mehr unter den traumatischen Erinnerungen an ihre Heimat litten. Die Fallzahl zu dieser Frage war jedoch relativ gering, so dass keine endgültigen Schlüsse aus dieser Beobachtung gezogen werden können.
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