Medizin

Wieso Migranten und ihre Kinder anfälliger für eine Schizophrenie sind

  • Dienstag, 17. Januar 2017

Toronto/London –  Immigranten und ihre Kinder reagieren auf Stress mit einer vermehr­ten Ausschüttung von Dopamin in Hirnarealen, die an der Entstehung der Schizophrenie beteiligt sind. Besonders ausgeprägt war dies in einer Studie im Schizophrenia Bulletin (2017; doi: 10.1093/schbul/sbw181) bei Personen mit einem hohen Erkrankungsrisiko oder einer manifesten Psychose.

Migranten erkranken laut epidemiologischen Studien 2,9-fach häufiger an einer Schizo­phrenie als die einheimische Bevölkerung. Bei dunkelhäutigen Migranten ist das Risiko sogar 4,8-fach erhöht. Betroffen sind nicht nur die Migranten, sondern auch deren Kinder. Forscher bringen dies mit dem Stress in Verbindung, dem die Ein­wanderer in ihrer neuen Heimat ausgesetzt sind, wo sie zunächst eine Randgruppe der Gesellschaft bilden. Die Forschung erklärt das Psychose-Risiko mit einer „social defeat“-Hypothese, deren Grundlagen bisher unbekannt sind.

Von zentraler Rolle könnte der Neurotransmitter Dopamin sein. Dopamin ist zum einen an Stress-Reaktionen des Gehirns beteiligt, zum anderen wird es über die „Dopamin-Hypothese“ mit der Entstehung der Schizophrenie in Verbindung gebracht.

Hirnforscher aus Kanada und England haben jetzt in zwei Studien den Dopaminstoff­wechsel von Migranten und Nicht-Migranten mit der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) untersucht und dabei Gesunde mit Personen verglichen, die ein erhöhtes Risiko auf eine Schizophrenie hatten oder bereits an einer Psychose erkrankt waren.

Am Centre for Addiction and Mental Health (CAMH) in Toronto verwendeten die Hirn­forscher den PET-Tracer 11C-PHNO, der an einem Dopamin-Rezeptor bindet. Vor der Untersuchung wurden die Teilnehmer einem negativen Stress ausgesetzt: Sie mussten schwierige Mathe-Aufgaben lösen und erhielten danach ein negatives Feedback von den Betreuern.

In London wurde in einer Parallelstudie der PET-Tracer 18-F-DOPA verwendet, mit dem die Synthese von Dopamin in die Nervenzellen dargestellt werden kann. Einen Stressor gab es hier nicht.

Wie Romina Mizrahi vom CAMH berichtet, kamen beide Teams zu ähnlichen Ergeb­nissen: Migranten hatten eine erhöhte Syntheseleistung für Dopamin im Corpus stria­tum, und auf einen Stressreiz hin war die Freisetzung des Neurotransmitters erhöht. Besonders ausgeprägt war der Effekt bei Personen mit erhöhtem  Erkrankungsrisiko sowie bei Patienten, die an einer Psychose erkrankt waren.

Mizrahi betont, dass nicht alle Personen mit erhöhter Dopamin-Konzentration im Stria­tum an einer Schizophrenie erkranken, und die wenigsten Migranten erleiden im Verlauf ihres Lebens eine Psychose. Dennoch seien der Stress, den die Migranten durch Diskri­mierung, sozialer Isolation und dem Leben in der Stadt ausgesetzt sind, ein wichtiger Risikofaktor. Eine bessere soziale Unterstützung der Migranten könnte deshalb einen Beitrag leisten, die Zahl der Psychosen unter Migranten zu senken.

rme

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