Mikrobiom im Magen-Darm-Trakt: Dichtung und Wahrheit

Berlin – Viele Erkenntnisse zum gastrointestinalen Mikrobiom werden in ihrer Bedeutung aktuell überschätzt. Zwar hat das Wissen um das Mikrobiom in den vergangenen Jahren zugenommen, jedoch existieren immer noch große Wissenslücken.
„Wir wissen viel, aber wir wissen noch viel zu wenig“, sagte heute Thomas Frieling, Chefarzt der Medizinischen Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie, Neurogastroenterologie, Infektiologie, Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin am Helios Klinikum Krefeld, auf der Jahrespressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS).
Zwar spiele das Mikrobiom für gastroenterologischen Krankheiten wie dem Reiszdarmsyndrom eine große Rolle. Bislang sei es aber nicht gelungen, einzelne Bakterien zu identifizieren, die in der Breite für eine effektive Therapie eliminiert oder ersetzt werden könnten.
„Wir haben noch viel vor uns, aber es ist ein spannendes Thema“, führte Frieling mit Blick in die Zukunft aus. „Ich erwarte, dass wir in den nächsten Jahren auch hier spezifische Therapieansätze entwickeln können.“
Das Mikrobiom ist für die normale Entwicklung nach der Geburt von großer Bedeutung, so etwa für die Entwicklung des Immun- oder Nervensystems, betonte Frieling. Vermutlich spiele es auch bei vielen gastroenterologischen Erkrankungen eine wichtige Rolle. Darauf würden Erkenntnisse aus Untersuchungen an Tiermodellen hinweisen. Diese ließen sich aber nicht unbesehen auf den Menschen übertragen.
Darüber hinaus bestehen laut Frieling große Wissenslücken etwa über mukosaassoziierte Bakterien. Aber dies sei vermutlich der entscheidende Bereich des Mikrobioms, der über die Schleimhaut mit dem Immun- oder Nervensystem interagiert.
Auch beim Reizdarmsyndrom hat das Mikrobiom große Bedeutung, so ist die Bakterienvielfalt im Darm bei den Betroffenen reduziert, führte der Experte aus. Aber noch sei es nicht gelungen die verantwortlichen Bakterien zu identifizieren.
Das wirkt sich auf die Therapie des Reizdarmsyndroms aus. Diese funktioniert aktuell nach dem Prinzip Trial and Error, so Frieling. Probiotika symptomorientiert einzusetzen, biete sich an, die Datenlage sei allerdings sehr heterogen.
Die Stuhltransplantation beziehungsweise der Mikrobiomtransfer als weitere therapeutische Option erzeuge in tierexperimentellen Untersuchungen faszinierende Ergebnisse, komme bei Menschen aber nur bei Clostridium-difficile-Infektionen in Frage.
Der Experte riet auch von Bakterienuntersuchungen beziehungsweise Untersuchungen auf das individuelle Mikrobiom im Stuhl ab. Klinisch habe dies überhaupt keine Relevanz. Es sei eine komplizierte Technik und für die Praxis absolut nicht geeignet.
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