Mit Telemedizin gegen Ärztemangel in Pflegeheimen

Potsdam – In Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern hat ein Pilotprojekt begonnen, in dem die häufigsten hausärztlichen Untersuchungen bei Pflegeheimbewohnern vollständig via Videokonferenz durchgeführt werden. Ziel ist es vor dem Hintergrund von Fachkräftemangel, fehlender Vernetzung und stellenweise großen Entfernungen eine gute ärztliche Versorgung in Pflegeheimen aufrecht zu erhalten.
Angestoßen hat das Projekt die AOK Nordost gemeinsam mit Pflegeheimen, Ärzten sowie dem Telemedizinanbieter Medkitdoc. Das Pilotprojekt soll sechs Monate laufen. „Als Krankenkasse betreten wir damit Neuland“, sagt Timo Behrendt, E-Health-Experte bei der AOK Nordost. „Insbesondere in der Pflege werden die Potenziale der Digitalisierung noch viel zu wenig genutzt.“
Dabei sei gerade dort der Bedarf besonders hoch: Pflegebedürftige benötigen eine intensive und kontinuierliche ärztliche Betreuung. Aber gerade auf dem Land gebe es immer weniger Ärzte. Deshalb setze man auch in der Pflege auf digitale Tools.
Die Plattform Medkitdoc ermöglicht die Durchführung der häufigsten hausärztlichen Beratungen via Videokonferenz mit gleichzeitiger Einbindung von verschiedenen Medizingeräten. Dabei kommen ausschließlich zertifizierte Medizingeräte zum Einsatz.
Mittels einer App für mobile Geräte mit iOS– oder Android-Betriebssystem werden die erhobenen Daten wie EKG, Blutsauerstoff und vieles mehr in Echtzeit während der Videokonferenz an die Ärztin oder den Arzt übermittelt. Eine besondere Bedeutung hat dabei das Stethoskop. Die Plattform ermögliche es unter anderem mittels Stethoskop Herz- und Lungengeräusche in einer Videokonferenz abzuhören, sagte Dorian Koch, CEO und Founder von Medkitdoc.
Monique Salchow-Gille, Internistin in Friedland und Ärztin im Senioren-Wohnpark Friedland, erhofft sich durch das Projekt eine „signifikante Verbesserung des Austausches der medizinischen Daten“ von Patienten aus den Pflegeheimen und ihr als behandelnde Ärztin. Sie wolle möglichst umfassend und aktuell über den Zustand ihrer Patienten informiert sein und bei Bedarf zeitnah handeln können.
Allerdings seien gerade auf dem Land die Wege sehr weit, sagte sie. Durch wegfallende Fahrzeiten – etwa liege ein Pflegeheim 75 Kilometer entfernt – gewinne sie Zeit, die sie nutzen könne, mehr Patientinnen und Patienten zu betreuen. „Der Bedarf ist groß.“
„Wir versprechen uns von Medkitdoc eine intensivere Taktung der ärztlichen Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner sowie eine Vermeidung unnötiger Krankenhauseinweisungen“, sagte Katharina Friesse, Einrichtungsleiterin im Senioren-Wohnpark Friedland. Außerdem sollten spezielle Schulungen sowohl an der Software als auch an den telemedizinischen Geräten die Kompetenzen des Pflegepersonals erweitern.
„In unserem Pflegeheim konnten wir schon erste positive Erfahrungen sammeln“, erklärte Erik Müske, Einrichtungsleiter im AWO Seniorenzentrum „Theodor Fontane“ in Oderberg. „So konnte durch die kurzfristige Abstimmung mit der Hausärztin über MedKitDoc bereits ein Facharztbesuch und eine Krankenhauseinweisung vermieden werden.“
Neben der kurzfristigen Konsultation der Ärztin gebe es auch zwei Termine je Woche, an denen die Ärztin für die Untersuchung via Medkitdoc zur Verfügung stehe: „Das ist ein großer Vorteil für unsere Bewohnerinnen und Bewohner, die kaum mobil sind. So haben sie die Möglichkeit, Beschwerden vorzutragen oder Krankheitsverläufe untersuchen zu lassen. Das ersetzt nicht die ärztliche Visite vor Ort, erleichtert jedoch den Zugang zur medizinischen Versorgung und erhöht deren Effizienz.“
Das Pilotprojekt ist Teil der AOK-Initiative „Stadt.Land.Gesund. für eine bessere ländliche Gesundheitsversorgung“. Dazu engagiert sich die AOK Nordost gemeinsam mit den Partnern vor Ort in zahlreichen Projekten.
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