Medizin

Mobbing in der Schule häufige Ursache von Depressionen

  • Donnerstag, 4. Juni 2015
Uploaded: 04.06.2015 15:33:20 by mis
dpa

Oxford – Teenager, die regelmäßig von Mitschülern gemobbt werden, erkranken im frühen Erwachsenenalter häufiger an Depressionen. Nach den Ergebnissen einer prospektiven Beobachtungsstudie im British Medical Journal (BMJ 2015; 350: h2469) könnte das Mobbing auf dem Schulhof und in der Freizeit für fast ein Drittel aller Depressionen bei jungen Heranwachsenden verantwortlich sein.

Viele Teenager haben in der Schule nicht nur mit schlechten Noten durch die Lehrer zu kämpfen. Sie sind auch Angriffen von ihren Mitschülern ausgesetzt. Dazu gehören nicht nur Hänseleien, auch Diebstähle, Erpressungen und körperliche Attacken gehören zu den Erfahrungen, die das spätere Leben prägen können. Eine mögliche Folge sind Depressionen.

Wie groß das Problem – sicherlich nicht nur an englischen Schulen  - ist, hat die Psychologin Lucy Bowes mit ihren Mitarbeitern der Universität Oxford an der Avon Longitudinal Study of Parents and Children (ALSPAC) untersucht. Es handelt sich um eine Kohorte von mehr als 10.000 Kindern, die seit der Schwangerschaft ihrer Mütter Anfang der 1990er Jahre regelmäßig untersucht wurden.

Im Alter von 13 Jahren hatten die damaligen Teenager einen Fragebogen zum Mobbing in der Schule und Freizeit ausgefüllt. Jeder dritte berichtete damals über Hänseleien, jeder vierte hatten einen Diebstahl durch Mitschüler erlebt. Andere berichten über Lügengeschichten, auch Drohungen/Erpressungen, Betrügereien, Nötigungen oder Ausgrenzungen waren keinesfalls selten.

Bowes setzte das Mobbing mit den Antworten in einem zweiten Fragebogen in Beziehung, in dem die jetzt 18 Jahre alten Heranwachsenden Auskunft über ihren Gemütszustand gaben. Insgesamt wurden die Daten von 3.898 ALSPAC-Teilnehmern ausgewertet. Von den 683 Jugendlichen, die im Alter von 13 Jahren mehrmals in der Woche das Opfer von Mobbing-Attacken gewesen waren, zeigten 14,8 Prozent Zeichen einer klinisch relevanten Depression im Sinne der ICD10. Unter den 1.446 Jugendlichen, die nur gelegentlich gemobbt wurden, betrug die Rate 7,1 Prozent und bei den Kindern ohne Mobbing kannten nur 5,5 Prozent depressive Verstimmungen.

Damit hatten Opfer häufiger Mobbing-Attacken ein fast dreifach erhöhtes Risiko auf eine spätere Depressionen als nicht gemobbte Kinder. Bowes errechnet eine Odds Ratio von 2,96, die mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 2,21 bis 3,97 hochsignifikant war. Die Odds Ratio sank auf 2,32 (1,49 bis 3,63), wenn andere mögliche Ursachen wie mentale Erkrankungen, schwierige Familienverhältnisse oder belastende Erlebnisse berücksichtigt wurden.

Die Assoziation blieb jedoch weiter signifikant. Sollte ihr eine Kausalität zugrunde liegen, was sich in einer Beobachtungsstudie niemals mit letzter Sicherheit beweisen lässt, dann könnten nach weiteren Berechnungen von Bowes 29,2 Prozent (10,9 bis 43,7 Prozent) aller Depressionen im Alter von 18 Jahren die Folge eines Mobbings durch Mitschüler sein.

Die Editorialistin Maria Ttofi von der Universität Cambridge fordert angesichts dieser Zahlen Gegenmaßnahmen, um eine langfristige psychische Beschädigung von Schülern zu verhindern. Diese Forderung könnte allerdings daran scheitern, dass sich die meisten Schüler weder den Eltern noch den Lehrern gegenüber offenbaren, wie ebenfalls in der jetzigen Untersuchung heraus kam. Die meisten Schüler schlugen erst Alarm, wenn sie nicht nur psychisch, sondern auch körperlich traktiert wurden.

rme

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