„Momentan müssen wir uns jederzeit auf drastische Einschränkungen gefasst machen“
Berlin – Viele medizinische Register und Datenbanken wie PubMed, die weltweit wichtigste medizinische Literaturdatenbank, sind aus der biomedizinischen Forschung nicht wegzudenken. Finanziert werden sie jedoch häufig vom US-Steuerzahler und unterliegen somit staatlichen Vorgaben.
Darüber, welcher Zensur sie unter der Ägide von US-Präsident Donald Trump unterliegen könnten und wie Deutschland und Europa sich aufstellen sollten, sprach das Deutsche Ärzteblatt mit Siw Waffenschmidt, Leiterin des Ressorts Informationsmanagement beim Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG).

5 Fragen an Siw Waffenschmidt, Leiterin des Ressorts Informationsmanagement beim Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG)
Sind Sie im IQWIG angesichts der wissenschaftspolitischen Veränderungen unter der derzeitigen US-Regierung besorgt?
Ja, durchaus. Als besonders problematisch sehen wir an, dass zentrale Informationssysteme, wie PubMed oder die Plattform ClinicalTrials.gov komplett in amerikanischer Hand sind. Noch gibt es zwar keine gravierenden Einschränkungen, doch sind schon Anzeichen aufgetreten, die auf deutliche Einschnitte hindeuten könnten.
Was beobachten Sie konkret?
Bereits jetzt sind einzelne Webseiten nicht mehr zugänglich. Insbesondere betrifft das Webseiten der Öffentlichen Gesundheit, aber auch einzelne Manuskripte verschwinden mittlerweile. Zudem dürfen einige amerikanische Forscherinnen und Forscher nicht mehr als Co-Autorinnen und Co-Autoren fungieren.
Für sie besteht ein „Communication freeze“, der auch Reiseverbote einschließt. Ferner ist zu beobachten, dass von der „National Library of Medicine“ (NLM) auch Schulungen zu PubMed abgesagt werden – ebenfalls mit der Begründung eines „Communication freeze“.
Einen Schreckmoment gab es ja bereits im März. Damals war an einem Wochenende PubMed nicht zu erreichen. Was steckte dahinter?
Das ist nicht ganz geklärt. Aber seitdem sind wir alle alarmiert. Ich weiß von einigen Kolleginnen und Kollegen, die jeden Morgen als erstes auf PubMed gehen und untersuchen, ob noch wichtige Schlagwörter erreichbar sind. Insbesondere Schlagwörter wie Genderforschung, Bias, Frauen, Diversity oder Inklusion könnten auf dem Index stehen.
Was würde geschehen, wenn PubMed künftig tatsächlich nicht mehr oder nur sehr eingeschränkt zu erreichen wäre beziehungsweise wenn Publikationen aus PubMed entfernt würden, weil in ihnen bestimmte Schlagwörter auftauchen, die auf dem Index der US-Regierung stehen?
Das wäre für die Forschung weltweit ein riesiger Schlag. Die ganze Welt profitiert von der Datenbank und hat nicht genügend in Alternativen investiert, was sicher nicht richtig war.
Welche Alternativen würde es denn geben?
Eine mögliche Alternative könnte Embase sein. Diese medizinische Forschungsdatenbank deckt jedoch nicht alle PubMed Zeitschriften ab und ist zudem im Gegensatz zu PubMed auch kostenpflichtig. Ähnliches gilt für die Studienregister: Auch hier gibt es zwar Alternativen zu ClinicalTrials.gov.
Doch diese sind zum Teil inhaltlich nicht vollständig, da sie nicht den strengen Vorgaben unterliegen wie das amerikanische Register, in dem auch Ergebnisse veröffentlicht werden. Deutschland und Europa sollten deshalb schnell weitere Alternativen entwickeln und in diese investieren. Denn momentan müssen wir uns jederzeit auf drastische Einschränkungen gefasst machen.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: