Ärzteschaft

Montgomery kritisiert Spahns Gesetzesinitiativen

  • Mittwoch, 8. Mai 2019
Frank Ulrich Montgomery /dpa
Frank Ulrich Montgomery /dpa

Berlin – Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, hat sich kritisch über die zahlreichen Gesetzesinitiativen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geäußert. „Spahn prescht vor und hat die Folgen nicht immer vor Augen“, sagte Montgomery dem Tagesspiegel. „Dass so mancher das als Aktionismus empfindet, kann ich verstehen.“

Als Beispiel für fragwürdige Vorstöße des Ministers nannte der BÄK-Präsident die Über­nahme der Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte (gematik) durch den Bund. Dass diese Gesellschaft seit Jahren nicht liefere, liege aber auch an deren Auf­gabenstellung, sagte er. „Dass das dadurch besser wird, dass der Bund die gematik über­nimmt, wage ich zu bezweifeln“, sagte er.

Daneben kritisierte Montgomery etliche weitere Projekte des Ministers. Spahns Termin­versorgungsgesetz sei „reiner Populismus“, die Erhöhung des Pflichtpensums von Arzt­sprechstunden „so überflüssig wie ein Kropf“. Die Reform der Psychotherapeutenaus­bil­dung nannte der BÄK-Präsident „völlig verkorkst“. Und bei der Hebammenausbildung stelle der Minister auch „alle bisherigen Prinzipien auf den Kopf“. Darüber hinaus betreibe Spahn einen einen Direktzugang von Patienten zur Physiotherapie.

„Seine neuen Gesetze haben einen Generalnenner“, so Montgomery. Sie versuchten, ärztliche Tätigkeiten auf Berufe mit geringerer Qualifikation auszulagern. Der BÄK-Chef warn­te eindringlich vor diesem „preisgünstigeren Weg“. Helfen würden stattdessen mehr Studienplätze für Humanmedizin und eine gute Ausbildung der Ärzte.

Gegen ärztlich assistierten Suizid

Montgomery wendet sich darüber hinaus erneut gegen eine Aufweichung des Verbots von geschäftsmäßiger Sterbehilfe durch das Bundesverfassungsgericht. Wenn man ärztlich assistierten Suizid erlaube, führe das direkt zu einer Tötung auf Verlangen, sagte er.

„Wenn wir Sterbehilfe als Ärzte betreiben sollten, müssten wir es qualitätsgesichert und nach allen Prinzipien der guten medizinischen Praxis machen“, so der Bundesärztekam­mer­­präsident. Das würde bedeuten, Sterbewilligen das Gift über einen Venenzugang zu injizieren. „Wo ist da dann noch der Unterschied zur Euthanasie?“, fragte er.

Die Behauptung, dass Palliativmediziner durch das Gesetz Gefahr liefen, sich bei der Gabe von schmerzstillenden Medikamenten strafbar zu machen, bezeichnete er als  „Quatsch“. Da würden Gefahren beschworen, die nicht vorhanden seien. Die Regelung richte sich „gegen Organisationen, die sich dadurch finanzieren oder ihre Befriedigung daraus ziehen, anderen Menschen beim Sterben zu helfen“. Und die Forderung, Ärzten Suizidbeihilfe zu erlauben, sei „bewusst darauf angelegt, die Grenzen zerfließen zu lassen“. Mediziner seien aber nicht Sterbe-, sondern Lebenshelfer.

Skeptisch äußerte sich der BÄK-Chef auch zur Widerspruchslösung bei der Organspende. Er befürchte, dass eine solche Reform kontraproduktiv sei und das Misstrauen in die Transplantationsmedizin befördere. Gleichzeitig warf er Spahn vor, mit dieser Idee zu früh vorgeprescht zu sein. Nach dem von Spahn und dem SPD-Gesundheitsexperten Karl Lau­ter­bach vorgelegten Gesetzentwurf soll jeder Bürger nach seinem Ableben als Organ­spender gelten, es sei denn er hat sich zu Lebzeiten schriftlich oder gegenüber Angehö­rigen dagegen ausgesprochen.

Gestern hatte eine Gruppe von Parlamentariern von Union, SPD, FDP, Grünen und Linken, einen Alternativvorschlag vorgelegt, der an der bestehenden Entscheidungslösung fest­hält, diese aber durch ein Onlineregister sowie regelmäßige Informationen und haus­ärztliche Beratungen verbindlicher gestalten will. Sie wollen die Organspende „als eine bewusste und freiwillige Entscheidung“ beibehalten, „die nicht durch den Staat erzwun­gen werden darf“.

Montgomery sagte dem Tagesspiegel, er halte die Widerspruchslösung zwar für richtig, habe aber „immer auch dazu geraten, diese Debatte nicht jetzt zu führen, sondern erst mal abzuwarten, wie die beschlossenen Verbesserungen in den Kliniken wirken“, sagte er. Diese gerade erst beschlossene Reform und nicht eine Widerspruchsregelung sei der zentrale Baustein für mehr Organspenden.

„Wir merken ja, dass diese wichtige Debatte nun aufgrund des zusätzlichen Vorstoßes von Spahn schon wieder in Parteienstreit zerfällt“, meinte der BÄK-Chef. Er sei „entsetzt darüber, dass es bestimmte Politiker nicht schaffen, die großen ethischen Fragen auf anderer Ebene zu diskutieren“.

kna/may

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