Ärzteschaft

Musiktherapeuten wollen qualifizierten und geregelten Zugang zum Beruf

  • Dienstag, 15. Juli 2025
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Hamburg – Obwohl Musiktherapeuten in vielen psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken sowie in Rehakliniken in Deutschland mit Patienten arbeiten, sind die Anforderungen an die Ausbildung immer noch vollkommen ungeregelt. Eine Übernahme von musiktherapeutischen Leistungen im ambulanten Bereich durch die Krankenkassen ist nicht möglich. Beides muss sich nach Meinung der Deutschen Musiktherapeutischen Gesellschaft (DMtG) dringend ändern.

„Wir brauchen von der Bundesregierung ein Berufsgesetz, damit der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) eine Richtlinie für die Musiktherapie auf den Weg bringen kann“, forderte Beatrix Evers-Grewe, Vorstandsmitglied der DMtG und Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Künstlerische Therapien heute bei einem Pressegespräch zum 13. Europäischen Musiktherapie-Kongress, der vom 23. bis 27. Juli in Hamburg stattfindet.

„Wir wollen mit dem Kongress Brücken bauen zwischen Wissenschaft und Praxis, aber auch zwischen Musiktherapeuten und den anderen Gesundheitsberufen“, sagte Lutz Neugebauer, Vorsitzender der DMtG, die den Kongress gemeinsam mit der Medical School Hamburg und der Universität für Musik und Theater Hamburg veranstaltet. In der DMtG sind rund 1.600 Musiktherapeuten organisiert.

Musiktherapeutische Interventionen helfen nach Angaben des Musiktherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten beispielsweise in der Arbeit mit entwicklungsverzögerten Kindern. Auch psychisch kranken Jugendlichen könne die Musiktherapie dabei helfen, wieder zu sich selbst und der Umwelt in Kontakt zu treten und auch, sich als selbst wirksam zu erleben.

In der Krebstherapie sei Musiktherapie hilfreich, um depressive Störungen und Angststörungen der Patienten zu lindern. Patienten nach Schlaganfall könne geholfen werden, „durch die Musik wieder zur Sprache zu finden“, so Neugebauer. Auch bei Demenz könne Musiktherapie dazu beitragen, mit der erkrankten Person wieder in Beziehung zu treten. Darüber hinaus zeigte sich Singen im Chor für demenzkranke Menschen als wirksam.

„Eine Vielzahl von Studien zeigt, dass Musiktherapie und auch die Tanztherapie eine gesundheitsfördernde Wirkung bei verschiedenen Erkrankungen entfaltet“, betonte Sabine C. Koch, Professorin für Empirische Forschung in den Künstlerischen Therapien an der Alanus Hochschule Bonn und Direktorin des dortigen Forschungsinstituts für Künstlerische Therapien. Die Effekte sind zusammengefasst in einer aktuellen Metaanalyse von de Witte et al, die sich noch im Preprint-Status befindet.

Grundsätzlich ist die Forschungsfinanzierung nach Angaben des DMtG-Vorsitzenden indes „desolat“. „Studien müssen privat oder über Spenden finanziert werden; der prominente Jazz-Trompeter Till Brönner ist bei der Spendeneinwerbung sehr engagiert“, sagte Neugebauer. Der Zugang zum Innovationsfonds des G-BA sei der Musiktherapie leider verwehrt. „Was im internationalen Kontext schon lange für die Musiktherapie belegt ist, muss auch in Deutschland wahrgenommen werden“, forderte er.

Musiktherapie wird zwar als stationäre Leistung von den Krankenkassen erstattet, nicht aber im ambulanten Bereich. „Das muss sich ändern, denn viele Patienten, die in der Klinik oder Reha von der Musiktherapie profitierten, stehen nach ihrer Entlassung vor Problemen“, sagte Evers-Grewe.  

Ebenso wichtig wie die Erstattungsfähigkeit der Musiktherapie ist den Expertinnen die berufsrechtliche Regelung der Profession. „Heute kann sich im Prinzip jede und jeder nach einem Wochenendseminar Musiktherapeut nennen und ein Zertifikat vorlegen“, sagte Mona Dittrich, Vorstandsmitglied der DMtG und Musiktherapeutin am SRH Klinikum Sigmaringen.

„Unser Ziel ist deshalb, ein Berufsgesetz für die Musiktherapie auf den Weg zu bringen, eine klar definierte, geschützte Berufsbezeichnung mit bindenden Ausbildungsanforderungen.“ Ein entsprechendes Berufsgesetz sollte die Bundesregierung erarbeiten, forderte Dittrich.

Solch ein Gesetz diene in erster Linie der Sicherheit der Patienten. „Musik ist ein unglaublich kraftvolles Medium, sie kann starke Gefühle auslösen“, erläuterte die Musiktherapeutin. „Und Menschen in akuten Krisen sind auf der emotionalen Ebene besonders angreifbar.“ Der therapeutische Umgang damit gehöre unbedingt in qualifizierte Hände.

Mindestanforderung an die Ausbildung sollte nach Ansicht der DMtG ein Bachelorabschluss sein. Inhaltlich umfasst der Bachelor unter anderem Gesprächsführung, Entwicklungspsychologie, klinische Psychologie und Selbsterfahrung. Hinzu komme die musikalische Ausbildung in verschiedenen Instrumentengruppen und die Vermittlung, wie man Instrumente gezielt musiktherapeutisch einsetzt.

Nach Angaben des Berufsverbands bieten derzeit die SRH University of Applied Sciences Heidelberg und die Medical School Hamburg Bachelor-Studiengänge für Musiktherapie an.

PB

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