Nach Klimablockade: Radfahrerin nach schwerem Unfall gestorben

Berlin – Eine am vergangenen Montag in Berlin von einem Betonmischer überrollte Radfahrerin, deren Rettung möglicherweise durch Klimablockaden behindert worden war, ist gestern Abend im Krankenhaus gestorben. Das teilte die Berliner Polizei heute mit. Zuvor war die Frau bereits für hirntot erklärt worden.
Die Radfahrerin war bei dem Verkehrsunfall von einem Betonmischer erfasst und überrollt worden. Ein Spezialfahrzeug der Feuerwehr stand wegen einer Straßenblockade von Klimaaktivisten im Stau und kam deshalb verspätet zum Unglücksort.
Einem Bericht der Süddeutschen Zeitung zufolge hatte sich die Notärztin vor Ort aber bereits dafür entschieden, dass Spezialfahrzeug nicht einzusetzen. Dies gehe aus einem internen Vermerk der Feuerwehr hervor.
Demnach habe die Ärztin, die durch den Stau nicht behindert wurde, zwar kurz erwogen, den Betonmischer anheben zu lassen. Das „hätte aber wohl länger gedauert wie auch die medizinische Situation verschlechtert“, zitierte die Zeitung aus dem Vermerk. Die Berliner Feuerwehr wollte sich zu dem Bericht nicht äußern. Die Staatsanwaltschaft bestätigte die Existenz des Vermerks auf Anfrage am Freitag nicht.
Die Berliner Polizei stellte gegen zwei Klimaaktivisten Strafanzeige unter anderem wegen unterlassener Hilfeleistung. Dass die Radfahrerin im Straßenverkehr verunglückt sei, sei furchtbar, erklärte die Letzte Generation dazu. „Wir sind bestürzt und in Trauer.“
Die Aktivisten beklagten sich zugleich, dass die mediale Öffentlichkeit den Unfall „instrumentalisiert“. „Als sei endlich ein Aufhänger gefunden, unseren friedlichen Protest durch den Dreck zu ziehen.“ Die Gruppe wirft der Medienlandschaft vor, dass sie „eine Situation in dieser Form fiktiv aufbauscht und damit demokratischen Protest in einer Krisensituation delegitimiert“.
Zu künftigen Aktionen hieß es, die Gruppe werde sich von „öffentlicher Hetze“ nicht davon abbringen lassen, „das einzig moralisch Richtige zu tun – in einer alles entscheidenden Krise nicht zu verharren, sondern loszugehen“. Die Bundesregierung solle den Protest dadurch beenden, indem sie die Krise in den Griff bekomme. „Bis dahin geht der Widerstand weiter.“ Seit Montag breche „eine Welle der Vorwürfe, Unwahrheiten und Hetze über uns hinein“, beklagte die Letzte Generation.
Die Kritik der Aktivisten an den Medien wies der Deutsche Journalistenverband (DJV) zurück. „Ich sehe keine Hetze in der Berichterstattung“, sagte DJV-Sprecher Hendrik Zörner. Die Letzte Generation müsse sich gefallen lassen, dass über den Unfall in den Medien berichtet werde. Dass es jetzt eine „kritische Kommentierung“ der Proteste sowohl in den klassischen als auch sozialen Medien gebe, könne nicht verwundern. Denn der Unfall sei ein „Ereignis, das polarisiert“.
Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) erklärte nach der Nachricht vom Tod der Radfahrerin, es bleibe „die Aufgabe der Polizei und der Gerichte, die Umstände ihres Todes rasch und sorgfältig aufzuklären“.
Die Letzte Generation wird für ihre Proteste von Politikern verschiedener Parteien kritisiert. Die Umstände des Berliner Unfalls müssten „lückenlos aufgeklärt werden“, forderte etwa der Grünen-Politiker Anton Hofreiter in der Augsburger Allgemeinen. Auch Proteste gegen die Klimakrise dürften nicht das Leben anderer Menschen in Gefahr bringen. „Protestformen, die Menschen gefährden, sind falsch“, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
„Der Zweck heiligt nicht die Mittel“, betonte der parlamentarische Geschäftsführer der FDP im Bundestag, Stephan Thomae. Wenn der Klimaschutz absolut gesetzt werde, dann sei irgendwann für das Klima alles erlaubt. Deshalb dürfe dieser Fall nicht ohne Folgen bleiben. „Der Rechtsstaat darf keinen Rabatt gewähren.“
Auch die Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer sieht die Aktionen der Letzten Generation kritisch. Ziviler Ungehorsam stehe und falle mit dem Wort zivil, sagte sie im ZDF-„heute journal“. „Es ist gewaltfrei, und Menschen sollten dabei nicht gefährdet werden.“ Die jetzige Situation, mache die Klimabewegung nachdenklich, „unsere eigenen Sicherheitskonzepte zu überprüfen“.
Fridays-for-Future teilte am Nachmittag mit, die Aufklärung des Vorfalls sei noch nicht abgeschlossen, allerdings habe der Stau nach Einschätzung der behandelnden Notärztin die Rettung nicht behindert. „Eine vorschnelle Verurteilung der Protestaktion war und ist angesichts der Ernsthaftigkeit der Situation unangemessen“.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: