Nahles legt Entwurf für Tarifeinheitsgesetz vor

Berlin – Über Monate tüftelten Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) und die Regierung an einem Gesetz zur Tarifeinheit. Jetzt liegt das „Tarifeinheitsgesetz“ als Entwurf vor, die eigentlichen Änderungen umfassen nur drei Artikel auf zweieinhalb Seiten.
Nahles gab sich betont zurückhaltend. „Ich möchte betonen, dass das Streikrecht in Deutschland ein Grundrecht ist“, sagt Nahles zu Beginn ihrer Stellungnahme zum Entwurf. Eingeschränkt werde das keineswegs – auch die Existenz kleiner Gewerkschaften werde nicht infrage gestellt.
Wenn nur der Mehrheitstarif gelte, dann sei es egal, was über Streiks im Gesetz stehe, hatte Rudolf Henke, der Vorsitzende des Marburger Bundes, dazu am 20. Oktober gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt erklärt. Ein Arbeitskampf dürfe sich nach oberster Rechtsprechung immer nur auf die Durchsetzung eines tariflich regelbaren Ziels richten, also den Abschluss eines Tarifvertrages. Henke damals: „Wenn wir das Tarifdiktat nach dem Mehrheitsprinzip bekommen, dann kann der Tarifvertrag der stärker spezialisierten Minderheit nicht mehr wirksam werden. Ein Aufruf zu Arbeitskampfmaßnahmen wäre dann grob rechtswidrig.“
Vier Jahre, nachdem das Bundesarbeitsgericht die Tarifeinheit kippte, soll sie nun wieder als letztes Mittel möglich sein. Zukünftig soll nur noch der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern in einem Betrieb gelten. Die Frage, wie das ermittelt werden soll, beantwortete Nahles nur indirekt. Das gehe, versicherte die Bundesarbeitsministerin, ohne dass die sensiblen Mitgliedsdaten ganz offengelegt werden müssen.
Für den Beamtenbund dbb, erklärter Gegner des Gesetzes, fangen hier die praktischen Probleme an. „Wenn gemessen werden soll, welche die größte Gewerkschaft in einem Betrieb ist, müssten die Gewerkschaften einem Notar ihre Mitgliederlisten offenlegen“, sagt ihr Chef Klaus Dauderstädt. „Wir würden uns dem erst einmal verweigern. Kein Bürger muss erklären, ob er in einer Gewerkschaft ist.“
„Der Gesetzgeber will einseitig in Konfliktfälle eingreifen“
Die betroffenen kleineren Gewerkschaften wie der Marburger Bund für die Ärzte, die GDL für die Lokführer oder auch Cockpit für die Piloten sind sich einig, dass die Koalition das Streikrecht aufweichen will. Dauderstädt kritisiert: „Der Gesetzgeber will einseitig in Konfliktfälle eingreifen.“ Gebe es keine Einigung zwischen den Gewerkschaften, wolle es die Politik den Gerichten zuschieben, Arbeitskämpfe zu unterbinden. „Die Gewerkschaften sollen getrennt werden je nach Größe in jene, die überleben können, und jene, die nicht überleben sollen.“
Nahles dagegen meint, es wäre für Arbeitnehmer gerade gut, wenn die Interessen der Mehrheit gestärkt werden. „Die Akzeptanz einer betrieblichen Lohnpolitik, die vor allem die besonderen Schlüsselpositionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Betriebsablauf prämiert, ist gering“, so ihr Entwurf.
Marburger Bund kündigt Verfassungsbeschwerde an
Der Gesetzentwurf ist der vorerst zentrale Schritt im jahrelangen Ringen um mehr Tarifeinheit - aber noch nicht einmal das vorletzte Wort. Es folgt ein langes parlamentarisches Verfahren, wohl bis zum Sommer. Der Marburger Bund kündigte politische und rechtliche Gegenwehr mit allen Mitteln an. „Im Falle einer gesetzlichen Regelung werden wir zum frühestmöglichen Zeitpunkt gegen das Gesetz Verfassungsbeschwerde erheben“, sagte ein Sprecher. Der MB beziehe sich dabei auf seine arztspezifischen Tarifverträge, „die einer Tarifeinheit zum Opfer fallen würden“.
Der Beamtenbund erwartet, dass dann bald ein Arbeitsgericht das Verfassungsgericht anruft. Offen ist, ob die Spartengewerkschaften in der Übergangszeit bis ein höchstrichterliches Urteil vorliegt, zu Arbeitskampfmaßnahmen aufrufen dürfen.
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