Neue Debatte um individuelle Gesundheitsleistungen

Berlin – Mit Aussagen zu individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) hat die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) eine neue Debatte losgetreten. Während der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Stefan Schwartze, Ärzte ermahnt, übt der Virchowbund Kritik an den Äußerungen.
„Die Berichte der Verbraucherzentrale Bundesverband zeigen, dass es Fälle gibt, in denen Patientinnen und Patienten für Leistungen zahlen müssen, die eigentlich vom Leistungskatalog der Krankenkassen abgedeckt werden“, sagte Schwartze dem Deutschen Ärzteblatt. Das sei „inakzeptabel“ und verletze in „eklatanter Weise das Arzt-Patienten Vertrauensverhältnis“ und grenze an Betrug.
Er wies darauf hin, dass Ärzte verpflichtet seien, ihre Patienten transparent und korrekt über Behandlungsmaßnahmen und Leistungen aufzuklären, wozu auch die wirtschaftliche Aufklärung gehöre. Die Politik müsse sicherstellen, dass die Informations- und Aufklärungspflichten für Patienten konsequent gestärkt und solche Missstände verhindert würden.
„Jede und jeder hat das Recht auf eine angemessene, bedarfsgerechte und transparente Versorgung. Bei Selbstzahlerleistungen gehört zu der Transparenz der Vergleich der angebotenen Leistung mit der Kassenleistung“, erklärte Schwartze.
Für den Bundesvorsitzenden des Virchowbunds, Dirk Heinrich, sind die Dimensionen der Vorwürfe gering. „Weniger als 300 Meldungen bei rund einer Milliarde Patienten-Arzt-Kontakten im Jahr zeigt eindeutig die Dimension der Sachlage“, ordnete er ein. Nicht Selbstzahlerleistungen seien das Problem der Zeit, sondern die Aufrechterhaltung der ambulanten Strukturen in Deutschland.
„Verbraucherinnen und Verbraucher wollen ihren Haus- und Facharzt um die Ecke mit möglichst wenig Wartezeit. Diese Strukturen stehen im Moment auf der Kippe“, so Heinrich. Durch die anhaltende Budgetierung, eine Unterfinanzierung in den Praxen und einen stetig wachsenden Fachkräftemangel. Stattdessen befassen sich die mit öffentlichen Geldern alimentierten Verbraucherzentralen mit populistischen Nischenthemen.“
Hintergrund der Diskussion ist eine Auswertung der Verbraucherzentrale Bundesverband. Diese hatte einen Aufruf gestartet, um IGeL näher zu beleuchten. Ausgewertet wurden dafür 297 eingegangene Meldungen von Verbrauchern. Rückschlüsse auf die Häufigkeit der Problemschilderungen in der Gesamtbevölkerung sind aus den Daten nicht ableitbar.
Der Auswertung zufolge kam es in einigen Fällen vor, dass eine Umwandlung von Kassenleistungen in IGeL stattfinde, teilte der vzbv mit. Ärzte seien aber verpflichtet, ihre Patienten wahrheitsgemäß darüber aufzuklären, welche Leistungen unter welchen Bedingungen von der Krankenkasse übernommen würden, sagte Michaela Schröder, Geschäftsbereichsleiterin Verbraucherpolitik im vzbv.
Verbraucher berichteten dem vzbv unter anderem, dass sie für eine Ultraschalluntersuchung der Brust selbst zahlen mussten, obwohl ein begründeter Verdacht auf eine bösartige Veränderung oder eine Überweisung vorgelegen habe. Es habe auch Berichte gegeben, dass notwendige Kontrolluntersuchungen bei Augenärzten sowie Tests zur Feststellung der Sehstärke als Selbstzahlerleistungen abgerechnet worden seien.
In knapp einem Fünftel der eingegangenen Meldungen (19 Prozent) gaben Verbraucher der vzbv zufolge an, nicht über die privat zu tragenden Kosten im Vorfeld der Behandlung informiert worden zu sein. In zwei Drittel der Fälle (66 Prozent) berichteten sie, dass sie trotz der Kosten die medizinische Leistung in Anspruch genommen hätten.
Im Fachgebiet der Dermatologie gaben Verbraucher größtenteils (70 von 77 Meldungen) Rückmeldung zur Untersuchung der Hautkrebsfrüherkennung, die ab dem 35. Lebensjahr alle zwei Jahre von der Krankenkasse übernommen wird.
Verbraucher schilderten demnach, dass sie entweder die Kosten des Hautkrebsscreenings selbst tragen oder Zuzahlungen leisten sollten, zum Beispiel für die Nutzung eines Auflichtmikroskops. Sie berichteten zudem von dem Problem, dass in ihrem näheren Wohnumfeld keine Ärzte die Hautkrebsuntersuchung als Kassenleistung anbieten würden.
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