Neue Einsichten in die neuronalen Grundlagen des Stotterns

Leipzig/Göttingen – Ein überaktives Netzwerk im vorderen Bereich des Gehirns könnte eine wesentliche Rolle in der Pathophysiologie des Stotterns spielen. Es hemmt die Betroffenen darin, Sprechbewegungen vorzubereiten und auszuführen und hindert sie so daran, flüssig zu sprechen. Das berichten Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig (MPI CBS) und der Universitätsmedizin Göttingen in der Fachzeitschrift Brain (2017; doi: 10.1093/brain/awx316).
Laut den Forschern ist zwar bekannt, dass bei der Sprechstörung ein Ungleichgewicht zwischen der Aktivität beider Hirnhälften auftritt: Eine Region im linken Stirnhirn ist danach zu schwach aktiviert, die entsprechende Region in der rechten Hirnhälfte ist wiederum viel zu stark aktiviert. Dennoch war laut der Arbeitsgruppe bisher unklar, was diese veränderte Hirnaktivität bedeutet und wie sie zustande kommt.
MRT-Untersuchung genutzt
Die Arbeitsgruppe um Nicole Neef, Neurowissenschaftlerin am MPI CBS und Erstautorin der zugrundeliegenden Studie, hat mithilfe der Magnetresonanztomographie (MRT) erwachsene Versuchsteilnehmer untersucht, die seit ihrer Kindheit stottern. Während der Untersuchung stellten sich die Studienteilnehmer vor, die Monatsnamen aufzuzählen. Diese Methode des imaginären Sprechens wählten die Forscher, um sicherzustellen, dass tatsächliche Sprechbewegungen die sensiblen MRT-Signale nicht stören.
Die Neurowissenschaftler konnten so per Hirnscanner auch analysieren, ob bei den stotternden Probanden von den überaktiven Regionen auf der rechten Hirnseite möglicherweise veränderte Faserverbindungen ausgehen. Innerhalb des hyperaktiven rechten Netzwerkes entdeckten sie eine Faserbahn, die bei den Betroffenen deutlich stärker ausgebildet war als bei Teilnehmern ohne Sprechprobleme.
„Je stärker der sogenannte Frontale Aslant Trakt, kurz FAT, war, desto schwerer war das Stottern ausprägt. Aus früheren Studien wissen wir, dass diese Verbindung eine wichtige Rolle bei der Feinabstimmung von Signalen spielt, die Bewegungen hemmen“, so die Neurowissenschaftlerin. „Die übermäßige Aktivität dieses Netzwerkes und seine stärkeren Verbindungen könnten darauf hindeuten, dass die eigentliche Ursache des Stotterns darin liegt, dass Sprechbewegungen zu stark gehemmt werden.“
Die Forscher vermuten also, dass eine Überaktivität in den Regionen auf der rechten Hirnseite der eigentliche Grund für das Stottern ist. „Die rechte untere Windung des Stirnhirns ist bei allen Menschen immer dann besonders aktiv, wenn wir Bewegungen wie Hand- oder Sprechbewegungen stoppen“, erklärte Neef.
„Ist diese Region jedoch überaktiv, kommt es zu einer übermäßigen Hemmung. Bei Personen, die stottern, sind davon höchstwahrscheinlich gerade jene Hirnregionen betroffen, die die Sprechbewegungen steuern.“ Dazu gehören die für das Sprechen relevanten Bereiche im linken Frontallappen, insbesondere der linke Gyrus frontalis inferior, der für die Planung des Sprechens zuständig ist, sowie der linke Motorcortex, der dann die eigentlichen Sprechbewegungen steuert.
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