Medizin

Neue multivalente Inhibitoren hemmen Influenzaviren im Tiermodell

  • Freitag, 5. Mai 2017
Hand stoppt Viren /AdobeStock.com psdesign1
/psdesign1, stock.adobe.com

Berlin – Bislang gibt es keine antivirale Therapie, die Influenzaviren hemmen könnte, wenn die Infektion schon ausgebrochen ist. Neue Wirkstoffe, die das Virus über ver­schiedene Oberflächenproteine inhibieren, konnten jetzt Influenza-A-Viren zuverlässig in vitro und in vivo außer Gefecht setzen. Den Fortschritt in der Grundlagenforschung haben Berliner Forscher in der Fachzeitschrift Angewandte Chemie publiziert (2017; doi: 10.1002/ange.201702005).

Kai Ludwig Maria Glanz Elektronenmikroskopie zeigt Bindung Inhibitoren an Influenza-Viren
Elektronenmikroskopie-Aufnahmen zeigen die Bindung der neuen Inhibitoren an Influenzaviren. / Kai Ludwig, Maria Glanz

Beim Einatmen gelangen Influenzaviren in die Lunge und binden dort an die Lungenepithel­zellen. Genau diesen Schritt wollten die Forscher aus Berlin verhindern, selbst wenn die Infektion schon ausgebrochen ist. Am vielversprechensten erschienen ihnen dafür multivalente Inhibitoren, die Influenzaviren mithilfe zahlreicher Liganden binden. Denn die Vielzahl an Bindungs­möglichkeiten erhöht die Chance, das Virus zu erkennen.

„Das wirklich Neue an dem Konzept ist aber die Kombi­nation aus multivalentem Inhibitor und sehr kurzen Antikörperfragmenten“, fasst Christian Hackenberger, Bereichsleiter am Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP) und Professor für Chemische Biologie an der Humboldt-Univer­sität (HU) die Ergebnisse zusammen. „Durch diese neue Strategie konnten wir neue Inhibitoren herstellen, die für die chemische Synthese viel Spielraum bieten“, sagt Maria Glanz, Chemikerin am FMP.

Proof-of-principle an humanen Zellkulturen erbracht

Die Experimente mit dem neuen Inhibitor wurden an Modellmembranen sowie an humanen Zellkulturen erfolgreich durchgeführt. Auch im Mausmodell funktionierte die Inhibition der Influenzaviren, was sich unter anderem am Verlust beziehungsweise Halten des Körpergewichts messen ließ. Allerdings ging die antivirale Wirkung hier nach vier Tagen zurück, da die Tiere den Wirkstoff nur einmal verabreicht bekamen, um ihnen Stress zu ersparen, erläutert Daniel Lauster, Biologe am HU-Institut für Molekulare Biophysik. „Eine mehrmalige Gabe des Wirkstoffs, so wie es bei anderen Medikamenten üblich ist, hätte garantiert länger anhaltende Effekte gehabt.“

In Vorarbeiten hatten die Forscher die Regionen der Antikörper identifiziert, die das Virus erkennen. Die entscheidenden Stellen wurden anschließend herausgeschnitten und am FMP von Maria Glanz synthetisiert. Die der Natur nachempfundenen Peptid­sequenzen wurden dann als Liganden auf den Inhibitor gesetzt, und zwar in enormer Stückzahl. „Dadurch ist die Affinität zum Virus wesentlich größer, also bindungsstärker“, betont Andreas Herrmann, Leiter des Bereichs Molekulare Biophysik an der HU. Dies habe sich auch in den Experimenten bestätigt: „In vitro haben unsere multivalenten Peptid-Nanopartikel-Konjugate richtig gut gegriffen.“

„Wir haben den Proof-of-principle erbracht, dass sich mit unserem Ansatz Influenzaviren hervorragend hemmen lassen“, sagt Hackenberger. „Damit haben wir ganz neue Türen für klinische Experimente aufgestoßen.“ Der Beweis sei zwar an Influenza-A-Viren erbracht worden, lasse sich aber auch auf andere Virusinfektionen übertragen.

Neue Klasse von Molekülen weniger anfällig für Resistenzen

Nach Auskunft der Forscher kann sich die neue Klasse von Molekülen zudem leichter an die natürlichen Varianten des Virus anpassen, da sie auf unterschiedlichen Designs beruhen. Vorherige Systeme hätten sich immer nur gegen eine Bindestelle am Virus gerichtet. „Wir haben jetzt wesentlich mehr Möglichkeiten und können unser System viel leichter adaptieren, etwa wenn Resistenzen und Mutanten entstehen“, erklärt Daniel Lauster. Weitere Vorteile seien, dass sich das neue Inhibitoren-Design auch für andere Peptidsysteme eigne und es sehr einfach zu synthetisieren sei.

Im nächsten Schritt wollen die Forscher das Konzept für weitere Anwendungen optimie­ren. Der Forschung steht aber jetzt schon ein völlig neues Inhibitoren-Design zur Verfü­gung, das künftig für die Entwicklung neuer Bindungsinhibitoren verwendet werden kann.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat das Projekt im Rahmen des Sonder­forschungsbereichs SFB 765 „Multivalenzen als chemisches Organisations- und Wirk­prinzip: Neue Architekturen, Funktionen und Anwendungen“ gefördert. Neben der HU und dem FMP waren auch Kollegen von der Charité, dem Deutschen Rheuma-Forschungszentrum Berlin und der Freien Universität Berlin (FU) beteiligt.

gie/idw

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