Neue S1-Leitlinie zu Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerzmitteln
Berlin – Zu oft, zu lange oder zu hoch dosiert: Schmerz- und Migränemittel können vorbestehende Kopfschmerzen verstärken und in eine chronische Krankheit verwandeln. Menschen mit häufigen Kopfschmerzen sollten vorbeugend dagegen aktiv werden, empfehlen die Deutsche Gesellschaft für Neurologie und die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft in ihrer heute vorgelegten neuen S1-Leitlinie zur Diagnose und Therapie des Kopfschmerzes durch Übergebrauch von Schmerz- und Migränemitteln. Der kürzlich im Deutschen Ärzteblatt vorgeschlagene Therapiealgorithmus sollte in randomisierten Studien validiert werden (Dtsch Arztebl Int 2018; 115(22): 365–70).
Weltweit sind 0,7–1 % der Bevölkerung von Kopfschmerzen durch Übergebrauch von Schmerz- und Migränemitteln betroffen, in Deutschland also mindestens eine halbe Million Menschen. „Das Krankheitsbild ist häufiger bei Frauen, bei Patienten mit Depressionen, Angsterkrankungen oder anderen chronischen Schmerzen, wie z. B. Rückenschmerzen“, berichtet Hans-Christoph Diener, Essen, Kopfschmerzexperte der DGN, der die Leitlinienarbeit gemeinsam mit Charly Gaul, Königstein, und Peter Kropp, Rostock, beide von der DMKG, koordiniert hat.
Von chronischem Kopfschmerz durch Übergebrauch von Medikamenten sprechen Ärzte, wenn Patienten mit vorbestehenden primären Kopfschmerzen (zum Beispiel Migräne oder Kopfschmerz vom Spannungstyp) über mindestens 3 Monate an 15 oder mehr Tagen im Monat unter Kopfschmerzen leiden und an mehr als 14 Tagen im Monat Schmerzmittel oder an mehr als 9 Tagen im Monat Migränemittel (Triptane oder Mutterkornalkaloide), Opioide oder Schmerzmittelkombinationen einnehmen. Im englischen Sprachgebrauch wird dieser Kopfschmerz als „Medication Overuse Headache“ (MOH) bezeichnet. „Die meisten Patienten ahnen nicht, dass Schmerztabletten die Schmerzursache sein können“, berichtet Diener.
Drei therapeutische Schritte empfohlen
Die Leitlinie empfiehlt ein 3-stufiges Vorgehen bei der Therapie von Kopfschmerzen durch Übergebrauch von Schmerz- und Migränemitteln, wie Charly Gaul, Generalsekretär der DMKG, erläutert: „Die erste Maßnahme sollte stets in der Schulung und Beratung von Patienten liegen, mit dem Ziel, die Einnahme von Akutmedikamenten zu reduzieren.“ Der zweite Schritt ist eine Prophylaxe mit Topiramat, Amitriptylin oder Onabotulinumtoxin A. Wirkt diese Therapie nicht, sollte als dritter Schritt eine Medikamentenpause angestrebt werden. Dieser Entzug kann je nach Konstellation ambulant, tagesklinisch oder stationär durchgeführt werden.
Sport und Entspannung senken den Bedarf an Schmerzmitteln
Damit Kopfschmerz durch ein Zuviel an Medikamenten erst gar nicht entsteht, raten die Experten zu einer konsequenten vorbeugenden Behandlung. Neben Medikamenten helfen Ausdauersport, Entspannung und Stressmanagement, Kopfschmerzattacken vorzubeugen. „Auch die Verhaltenstherapie hat sich in der Prophylaxe als wirksam erwiesen“, sagt Peter Kropp, Direktor des Instituts für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Universität Rostock.
Diese Möglichkeiten der Prävention würden jedoch längst nicht ausgeschöpft, bemerkt Stefanie Förderreuther. Selbst ein Kopfschmerz durch Übergebrauch von Akutmedikamenten sei behandelbar und keine Sackgasse.
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