Medizin

Neuer Typhus-Impfstoff für Kinder erfolgreich an Erwachsenen getestet

  • Freitag, 29. September 2017
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Oxford – Ein moderner Typhus-Impfstoff, der auch bei Säuglingen und Kleinkindern eingesetzt werden soll, hat sich in einem klassischen Expositionstest an gesunden (erwachsenen) Menschen als sicher und effektiv erwiesen, wie die im Lancet (2017; doi: 10.1016/S0140-6736(17)32149-9) publizierten Ergebnisse zeigen.

Impfstoffe werden normalerweise in Feldstudien an einer größeren Zahl von Personen getestet, die ein erhöhtes Erkrankungsrisiko haben. Klinische Studien, in denen gesunde Menschen nach einer Impfung absichtlich mit einem Krankheitserreger infiziert werden, sind heute selten.

Die Bereitschaft von 112 jungen Engländern, ein Reagenzglas mit schätzungsweise 10.000 bis 50.000 Typhus-Bakterien zu schlucken und dann mehrere Tage auf den Beginn einer hochfiebrigen Erkrankung mit heftigen Durchfällen zu warten, musste deshalb die Aufmerksamkeit internationaler Medien wecken (siehe Bericht New York Times), die sich indes mehr für den Mut der Teil­nehmer als für die Ergebnisse interessierten.

Die Teilnahme an der Studie war sicherlich altruistisch, wenn auch nicht unbedingt „patriotisch“. Denn Typhus ist in den Industrieländern dank einer Infrastruktur, die das Eindringen von Fäkalien in die Wasserversorgung verhindert, und einer Lebensmittel­hygiene, die eine Kontamination von Nahrungsmitteln vermeidet, so gut wie ausge­storben. In Deutschland gab es 2016 nur 60 Typhuserkrankungen, die sich auf Infek­tionen im Ausland zurückführen ließen.

In vielen ärmeren Ländern sind Infektionen mit dem Serovar Typhi, der Bakterienart Salmonella enterica, kurz S. Typhi, dagegen noch weit verbreitet. Vor allem in Südasien und im Afrika südlich der Sahara erkranken jedes Jahr zwischen 12,5 und 20,6 Millio­nen Menschen am Typhus abdominalis, der dort die wichtigste Ursache für fiebrige Darminfektionen ist. Gefährdet sind vor allem kleine Kinder, die noch keine natürliche Immunität gegen S. Typhi erworben haben.

Der unkontrollierte Einsatz von Antibiotika in den betroffenen Ländern hat dazu geführt, dass Resistenzen weit verbreitet sind. Erstlinien-Antibiotika wie Co-Trimoxazol, Ampicillin und Chloramphenicol, aber auch Fluorchinolone wirken häufig nicht mehr. Erste Resistenzen gegen Extended Spectrum beta-Lactamasen lassen befürchten, dass die Optionen in Zukunft weiter eingeschränkt werden. 

Impfstoffe könnten das Problem lösen. Der Typhus gehört zwar zu den ersten Erkran­kungen, gegen die ein Impfstoff entwickelt wurde (1896), doch die beiden heute verfügbaren Vakzine-Formen können bei Kleinkindern nicht eingesetzt werden: Die oralen Lebendimpfstoffe erfordert die Einnahme von mehreren Kapseln, was Kindern oft schwerfällt. Der parenterale Polysaccharid-Impfstoff erzeugt bei kleinen Kindern keine ausreichenden Antikörpertiter.

Ein neuer Konjugatimpfstoff des Herstellers Bharat Biotech aus Hyderabad könnte die Lücke füllen. In Indien ist der Impfstoff bereits zugelassen. Er erzeugt bei Säuglingen ab dem Alter von sechs Monaten eine Antikörperantwort, die im höheren Alter stärker ausfällt als bei einem Polysaccharid-Impfstoff. Der Hersteller hat bei der Weltgesund­heitsorganisation eine weltweite Empfehlung beantragt. 

Die Studie an der Universität Oxford, die von der EU und von der Gates-Stiftung finanziert wurde, sollte prüfen, ob der Impfstoff tatsächlich vor einer Erkrankung schützen kann. Die mutigen 112 Teilnehmer wurden auf drei Gruppen randomisiert. Ein Drittel erhielt einen Monat vor der Ansteckung den indischen Konjugat-Impfstoff, das zweite drittel wurde mit einer handelsüblichen Polysaccharid-Vakzine geimpft, die dritte Gruppe erhielt eine Meningokokken-Impfung, die nicht vor einem Typhus abdominalis schützt. In dieser Gruppe erkrankten 24 von 31 Probanden (77 Prozent) an Typhus. Die Kriterien waren ein Nachweis der Salmonellen in einer Blutkultur oder ein Fieber über 38 Grad, das länger als 12 Stunden anhielt (erst nach der Diagnose erhielten die Patienten Antipyretika und Antibiotika). 

Nach der Gabe des neuen Konjugat-Impfstoffs erkrankten 13 von 37 Probanden (35 Prozent). Nach der Impfung mit dem konventionellen Polysaccharid-Impfstoff kam es zu 13 Erkrankungen bei 35 Probanden (35 Prozent). Celina Jin von der Universität Oxford und Mitarbeiter errechnen eine Schutzwirkung von 54,6 Prozent ( 95-Prozent-Konfidenzintervall 26,8 bis 71,8) für den Konjugat-Impfstoff verglichen mit 52,0 Prozent (23,2–70,0) für den Polysaccharid-Impfstoff.

Nicht alle Patienten, die sich mit S. Typhi infizierten, entwickelten jedoch ein hohes enterisches Fieber. Außerdem war die Menge der in der Studie verabreichten Bakterien höher, als in den Endemie-Regionen bei einer Infektion durch Wasser oder kontami­nierte Nahrungsmittel zu erwarten wäre. Jin geht deshalb davon aus, dass die Schutz­wirkung im alltäglichen Einsatz höher ausfällt als in der Studie.

Genaueres werden die jetzt vom Typhoid Vaccine Acceleration Consortium geplanten kontrollierten Feldstudien ergeben, die noch in diesem Jahr in Asien beginnen sollen.

rme

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