Medizin

Neuer Wirkstoff könnte neuropathische Schmerzen lindern

  • Mittwoch, 14. Dezember 2016

Berlin – Die systematische Suche unter 35.000 Chemikalien hat zur Entdeckung eines Wirkstoffs geführt, der in sensiblen Nervenzellen einen Rezeptor für die Berührungs­empfindlichkeit hemmt. Erste tierexperimentelle Studien in Nature Neuroscience (2016; doi: 10.1038/nn.4454) zeigen, dass der STOML3-Inhibitor neuropathische Schmerzen lindern könnte, deren Behandlung sich bisher schwierig gestaltet.

Bei vielen Menschen mit einer diabetischen Neuropathie oder anderen Formen einer peripheren Polyneuropathie lösen bereits leichte Berührungen einen oft brennenden, stechenden oder dumpfen Schmerz aus. Der Neuropathie liegt eine Schädigung der sensiblen Nervenfasern zugrunde. Die Folge ist eine Überempfindlichkeit der Tast­rezeptoren. Jede sanfte Berührung führt zu einem Sturm von Aktionspotenzialen, die das Gehirn als Schmerzsignal deutet.

Da die Nervenschäden bei den meisten Polyneuropathien nicht repariert werden können, besteht ein möglicher Therapieansatz darin, die Tastrezeptoren zu betäuben. Auslöser der Nervensignale ist dort die Öffnung des Ionenkanals Piezo2. Seine Aktivität wird durch das Protein STOML3 „moduliert“: Mäuse, denen STOML3 fehlt, empfinden nach Nervenverletzungen keine Schmerzen.

Dies hat zur systematischen Suche von Substanzen geführt, die STOML3 hemmen können. Ein Team um Gary Lewin vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin hat zu diesem Zweck in groß angelegten In-vitro-Experimenten 35.000 verschie­dene chemische Stoffe getestet. Es stieß dabei auf 21 Substanzen, von denen einer besonders vielversprechende Eigenschaften hatte. Er verhindert, dass sich mehrere STOML3-Proteine zusammenlagern und hemmt damit die Funktion des Proteins. Elektrochemische Messungen an Zellen bestätigten dies. Unter dem Einfluss von OB-1 (für „oligomerization blocker“)  bleibt der Ionenkanal Piezo2 geschlossen, es kommt zu keinen Aktionspotenzialen und damit zu keinen Nervensignalen.

Die Forscher haben OB-1 daraufhin an Mäusen getestet, die aufgrund von Diabetes oder Nervenschäden an neuropathischen Schmerzen litten. Die Injektion von OB-1 verhinderte, dass diese Tiere Berührungsreize als schmerzhaft empfanden. Andere für das Tier wichtige Signale wurden dagegen nicht beeinträchtigt. Die Wirkung war zudem reversibel. Die Behandlung selbst könnte deshalb nebenwirkungsarm sein.

Bislang wurde der OB-1-Inhibitor noch nicht am Menschen getestet. Zunächst sind laut Lewin weitere tierexperimentelle Studien vorgesehen.

rme

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