NHS-Krise: Mehr als 10.000 zusätzliche Todesfälle zu Jahresbeginn in England und Wales

Oxford – In England und Wales ist es in den ersten sieben Wochen des Jahres zu einem deutlichen Anstieg der Todesfälle gekommen, den ein Editorial im Britischen Ärzteblatt (BMJ 2018; 360: k1090) mit der jüngsten Krise des staatlichen Gesundheitsdienstes in Verbindung bringt.
Die Grippewelle, die in Großbritannien zwischen den Jahren einsetzte, hat den National Health Service (NHS) offenbar überfordert. Anfang Januar teilte die NHS-Leitung mit, dass etwa 50.000 geplante Operationen in den kommenden Wochen verschoben werden müssten.
Eine Auswertung der Sterberegister durch Lucinda Hiam von der London School of Hygienic & Tropical Medicine und Danny Dorling von der University of Oxford ergab jetzt, dass in den ersten sieben Wochen des Jahres 10.375 mehr Menschen gestorben sind als in den Jahren zuvor. Dies bedeutet einen Anstieg um 12,4 Prozent, der nach Ansicht der Autoren kein Zufall sein kann und deshalb erklärungsbedürftig ist.
Die Grippewelle kann nach Ansicht von Hiam und Dorling nicht direkt für den Anstieg verantwortlich gemacht werden. Der Anteil der respiratorischen Erkrankungen an den Todesursachen sei mit 18,7 Prozent nicht höher gewesen als in den vorangegangenen Jahren. Die Kältewelle der letzten Wochen scheide als Erklärung ebenfalls aus, da der Anstieg der Todesfälle bereits im Januar einsetzte, als die Temperatur noch um ein halbes Grad über dem langjährigen Durchschnitt lag.
Hiam und Dorling geben keine Erklärung für den Anstieg, vermuten aber, dass er Teil einer weiter reichenden gesellschaftlichen Krise ist. So seien die Ausgaben für Gesundheit und soziale Betreuung zuletzt langsamer gestiegen als in früheren Jahren. Gleichzeitig hätten sich viele Indikatoren verschlechtert. Dazu gehöre etwa ein sehr schneller Anstieg der Todesfälle von pflegebedürftigen Patienten mit psychischen Erkrankungen.
Im letzten Jahr hatte das Office of National Statistics die Schätzungen zur Entwicklung der Lebenserwartung um fast ein Jahr nach unten gesenkt. In den nächsten Jahren würden mehr als eine Million Menschen früher sterben, hieß es. Im letzten Jahr kam auch heraus, dass die Säuglingssterblichkeit in den ärmsten Familien Großbritanniens seit 2011 erheblich angestiegen ist.
Ein Anstieg der Mortalität in den Wintermonaten ist laut Hiam und Dorling bereits seit 2013 in einigen Regionen und Altersgruppen nachweisbar. In anderen europäischen Ländern, vor allem in Norwegen und Finnland, sei die Lebenserwartung dagegen deutlich angestiegen.
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