Nicht invasive Pränataldiagnostik: G-BA weist in Brief auf Regelungslücken hin

Berlin – Der Gesetzgeber muss in naher Zukunft die Frage beantworten, ob und in wieweit molekulargenetische Testverfahren in der Schwangerschaft angewendet werden können. Diese Forderung hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in einem Brief an Abgeordnete des Bundestags, Mitglieder des Gesundheitsausschusses, die rechtspolitischen Sprecher, den Behindertenbeauftragten sowie Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) aufgestellt. Mit dem Schreiben antwortet das Gremium auf einen Offenen Brief von vier Parlamentariern. Hintergrund ist die aktuelle Debatte um die nicht invasive Pränataldiagnostik (NIPD), zu der der G-BA in der vergangenen Woche die Einleitung einer Methodenbewertung für einen Trisomie-Test beschlossen hatte.
Dem G-BA zufolge geht die Fragestellung zu Testungen in der Schwangerschaft weit über den momentanen Einzelfall hinaus. Es sei damit zu rechnen, „dass schon in absehbarer Zeit weitere molekulargenetische Testverfahren zur Verfügung stehen, die über die Trisomie hinausgehen und die ebenso wie die Entscheidung über das jetzige Verfahren fundamentale ethische Grundsatzfragen unserer Werteordnung berühren, die der Gemeinsame Bundesausschuss im Rahmen seiner ihm in den gesetzlichen Vorschriften über die Durchführung von Methodenbewertungsverfahren gegebenen, eher wissenschaftlich-technischen Prüfkompetenzen weder allein beantworten kann noch allein beantworten darf“, heißt es in dem Schreiben, das dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt.
Unterzeichnet haben den Brief die drei Unperteiischen G-BA-Mitglieder, Kassenärztliche und Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung, GKV-Spitzenverband sowie die Deutsche Krankenhausgesellschaft. Alle betonen, gerade weil ethische Grundsatzfragen berührt werden, sei „der Parlamentsgesetzgeber gefordert“, „Grenzen und Bedingungen zu definieren“.
Zahlreiche offene Fragen
Die Bänke im G-BA weisen wiederholt darauf hin, dass sie sich eine parlamentarische Diskussion wünschen. Dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass es eine „Reihe“ von Rahmenbedingungen gibt, die beachtet oder gegebenenfalls korrigiert werden müssten. Laut G-BA stellt sich zum Beispiel die Frage, ob Testverfahren wie die Fruchtwasseruntersuchung, die derzeit invasiv und mit Gefahren im Rahmen der Risikoschwangerschaft zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) angewendet wird, im „Lichte unserer Werteordnung (...) überhaupt gewollt sind und Gegenstand des Leistungskatalogs sein können“.
Haftungsfrage für Ärzte relevant
Bedacht werden müsse zudem ein Urteil des Bundesgerichtshofs (Az.: VI ZR 85/82, Rn. 10) von 1983. Dieses habe zwischenzeitlich zu einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung geführt, wonach Gynäkologen verpflichtet sind, Frauen bei Risikoschwangerschaften über Möglichkeiten und Grenzen pränataler Diagnostik umfassend aufzuklären, wenn aufgrund der konkreten Risikofaktoren die Gefahr einer Schädigung des Kindes besteht.
In letzter Konsequenz sei ein behindertes Kind damit ein „Schaden“ im Rechtssinne und dies sei von „höchster Relevanz“ für Ärzte. „Wenn man Verfahren zur Erkennung von durch Chromosomenveränderungen verursachten Erkrankungen des Ungeborenen deshalb aus ethischen Gesichtspunkten infrage stellt, müssen gleichzeitig die haftungsrechtlichen Rahmenbedingungen, die Basis für die Rechtsprechung sind, verändert werden“, so der G-BA.
Das Gremium ruft den Gesetzgeber auch dazu auf, die Vorgaben zur Methodenbewertung (§§ 135 ff. Sozialgesetzbuch V) anzupassen. Wenn ein neues Verfahren einem bereits im Leistungskatalog enthaltenen Verfahren überlegen sei, weil es Gefahren reduziere, könne eine sehr starke Einengung des Entscheidungsermessens im G-BA bis hin zur Ermessensreduzierung auf Null erfolgen, bemängelt der Ausschuss. Im Regelfall seien die Regelungen zwar genügend. Bei grundsätzlichen ethischen Fragestellungen „reichen sie aber nicht aus“.
Beratung verpflichtend, auch für private Tests
Der G-BA mahnt darüber hinaus an, ein besonderes Augenmerk auf die Aufklärung und Beratung werdender Mütter und Väter zu legen. Die Frage sei von grundsätzlicher Bedeutung, da die Tests bereits in „sehr weitem Umfang“ auch außerhalb von Risikoschwangerschaften für Selbstzahler angeboten werden. Der G-BA fordert eine umfassende Beratung auch vor einer privat erworbenen Testung. Dies könne zudem einer „beobachteten Marktdynamik“ begegnen. Erforderlich sei dafür jedoch eine gesetzliche Grundlage, heißt es.
In einem weiteren Schreiben mit ähnlichem Inhalt an die Deutsche Bischofskonferenz hat der G-BA seine Gesprächsbereitschaft signalisiert. Man sei sich der hohen ethischen Bedeutung bewusst und für Gespräche offen, schreibt das Gremium.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: