Ausland

Medizinprodukte­reform: EU-Parlament stimmt auch über Pränatal-Tests ab

  • Dienstag, 4. April 2017
Uploaded: 04.04.2017 12:34:40 by maybaum
/dpa

Brüssel/Straßburg – In Europa sind mehr als 40.000 verschiedene In-Vitro-Diagnostik-Pro­dukte auf dem Markt. Mit ihnen kann man genetische Veranlagungen und Krankhei­ten feststellen, wie etwa die unheilbare Nervenkrankheit Chorea Huntington oder das Down-Syndrom bei Ungeborenen. Es sind zugleich nicht invasive Testverfahren.

2012 hat die EU-Kommission vorgeschlagen, den gesetzlichen Rahmen für diese Pro­duk­te zu ändern. Die Verhandlungen waren schwierig, weil die Gesetzgebungen in den EU-Ländern sehr unterschiedlich sind. Das EU-Parlament stimmt nun am morgigen Mittwoch über den Gesetzesvorschlag zu Medizinprodukten ab, auf den sich die EU-Mi­nis­ter vor knapp einem Monat geeinigt hatten. Der enthält auch Neuregelungen zu In-Vitro-Diagnostik-Pro­dukten.

Mehr Kontrollen vorgesehen

„Insgesamt wird diese Verordnung medizinische Tests sicherer machen“, sagte der ge­sund­heitspolitische Sprecher der Europäischen Volkspartei (EVP) und zuständige Be­richt­erstatter für den Gesetzesvorschlag, Peter Liese (CDU). Das gelte besonders für DNA-Tests, bei denen es einige „dubiose Anbieter“ auf dem Markt gebe, die Menschen vorgaukelten, sie könnten bestimmte Krankheiten vorhersagen. Mit der neuen Verord­nung müssten Anbieter aufgestellte Behauptungen belegen und sich stärker kontrollie­ren lassen.

Eine Beratungspflicht sieht der neue Gesetzesvorschlag nur bei Tests von „unbehandel­baren“ Krankheiten wie etwa Chorea Huntington vor. Bei behandelbaren Krankheiten hätte das zuständige medizinische Personal lediglich die Pflicht, über mögliche Konse­quenzen des Tests zu informieren. Auch die sogenannten Praena-Tests werden durch die Verordnung europaweit reguliert. Mit solchen Tests kann zum Beispiel die Erkran­kung eines ungeborenen Kindes an Trisomie 21, bekannt als Down-Syndrom, bereits in einer Blutprobe der schwangeren Frau festgestellt werden.

Setze sich der Praena-Test weiterhin durch, könne das dazu führen, dass er nicht nur bei Risikoschwangerschaften, sondern bei jeder Schwangerschaft gemacht werde. „Das führt dann natürlich dazu, dass Kinder mit einer Behinderung im Zweifel gar nicht mehr geboren werden“, so Liese. Die Freiheit, den Test abzulehnen, gehe verloren. „Das ist eine große Gefahr“, sagte der Berichterstatter.

Es liege nun in der Hand der Mitgliedstaaten zu entscheiden, ob eine Abtreibung als „The­rapie“ angesehen werde, wenn bei einem ungeborenen Kind Trisomie 21 diagnosti­ziert werde, so Liese. Er hatte vorgeschlagen, bei der vorgeburtlichen Diagnostik die Be­ratung verpflichtend zu machen. Doch der Ministerrat lehnte ab.

Liese hält es für besonders wichtig, dass es in Deutschland das Gendiagnostik-ge­­­setz gibt und dass es gut umgesetzt werde. In vielen Ländern gebe es gar keine solche Ge­setz­gebung, vor allem in Mittel- und Osteuropa. Vergleichbare Ge­setzgebung gebe es in Portugal, Öster­reich, Spanien und Frankreich. Diese Un­­gleichheiten führten zu Proble­men an den Grenzen. Frauen in Grenz­regionen, die die Beratung umgehen wollten, könn­ten den Test im Nachbarland durchführen lassen.

„Ich treffe immer wieder Frauen, die sagen, wenn ich gewusst hätte, dass man nicht hel­fen kann, dann hätte ich diesen Test gar nicht gemacht“, so Liese. Es sei leichter den Test nicht durchführen zu lassen, als eine Behinderung des ungeborenen Kindes be­wusst in Kauf zu nehmen. Der Druck von außen sei dann „sehr viel stärker“, sagte der Abgeordnete. Deshalb müsse eine Beratung vorher stattfinden.

In Deutschland ist der Praena-Test seit Sommer 2012 zugelassen. Die Lebenshilfe und die Down-Syndrom-Fachverbände lehnen den Bluttest zur Früherkennung von Trisomie 21 als Reihenuntersuchung bei Schwangeren ab. Die Blutuntersuchung sei ethisch problematisch und gefährlich, sagte die Lebenshilfe-Bundesvorsitzende Ulla Schmidt im Frühjahr 2015. „Der Test vermittelt den Eindruck, es sei ein perfektes Kind möglich. Damit gefährdet er die Akzeptanz von Menschen in all ihrer Unterschiedlichkeit.“

Derzeit übernehmen nach Angaben der Verbände etwa 20 Krankenkassen die Kosten für Praena-Tests auf Antrag. Bei dem Verfahren werden aus dem Blut der Mutter Gen-Schnipsel des Embryos gefiltert und auf Defekte untersucht. Befürworter argumen­tieren, das Verfahren erspare andere riskante Untersuchungen wie eine Fruchtwasser­analyse.

kna

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