Notfallpatienten nehmen wegen nicht geimpfter COVID-19-Patienten Schaden

Düsseldorf – Vertreter von Krankenhäusern und Krankenhausärzten haben darauf hingewiesen, dass in der derzeit beginnenden vierten Welle der COVID-19-Pandemie Notfallpatienten einen gesundheitlichen Schaden erleiden würden, weil die Intensivbetten wegen nicht geimpfter COVID-19-Patienten überfüllt seien.
„Wenn die COVID-19-Inzidenzen exponentiell ansteigen, wissen wir, dass wir auf den Intensivstationen der Krankenhäuser in Kürze an unsere Grenzen gelangen werden“, sagte der Präsident des Verbandes der Leitenden Krankenhausärzte Deutschlands (VLK), Michael A. Weber, heute zu Beginn des Deutschen Krankenhaustages in Düsseldorf.
Das bedeute, dass dringliche Operationen verschoben werden müssten und Patienten dadurch Schaden nehmen würden, die nichts mit der vierten Pandemiewelle zu tun hätten. „Das ist keine Bagatelle, sondern ein wirklich ernstes Problem“, betonte Weber. Und das Hauptproblem dabei seien die Ungeimpften. „Deshalb darf es jetzt keine Tabus mehr geben“, so der VLK-Präsident.
„Die Politik muss jetzt auf die Wissenschaft hören.“ Kritik richtete Weber auch „an die Kolleginnen und Kollegen“, die einen Freedom Day in Aussicht gestellt hätten. „Es war absehbar, was kommt“, sagte Weber. „Die Wissenschaft hat es vorhergesagt.“
Pflege will Impfpflicht für alle Gesundheitsberufe akzeptieren
Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, wiederholte die Forderung von Bundesärztekammer (BÄK), DKG, Deutschem Pflegerat und dem Verband medizinischer Fachberufe (VMF), der Empfehlung des Deutschen Ethikrates an die Politik zu folgen, kurzfristig die Einführung einer berufsbezogenen Impfpflicht zum Schutz besonders vulnerabler Menschen in Einrichtungen des Gesundheitswesens zu prüfen.
Die Vorsitzende des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK) Südost, Sabine Berninger, betonte in diesem Zusammenhang: „Wenn eine Entscheidung fällt, dass für alle Gesundheitsberufe eine Impfpflicht eingeführt wird, wird sich die Pflege dem nicht dagegen stellen.“ Dabei lägen ihr keine Zahlen darüber vor, wie hoch die Impfquote unter den Pflegefachpersonen in Deutschland sei.
„Ich kenne Einrichtungen, in denen es eine gute Informationspolitik gegeben hat und in denen die Impfquote bei etwa 90 Prozent liegt“, meinte sie. „Ich kenne aber auch Einrichtungen, in denen die Impfquote deutlich darunter liegt.“
„Impfen ist keine Privatangelegenheit“
Gaß appellierte einmal mehr an die Bevölkerung, sich gegen COVID-19 impfen zu lassen. „Impfen ist keine Privatangelegenheit“, sagte er. Die Möglichkeiten der Krankenhäuser, Patienten zu behandeln, seien endlich.
Deshalb müssten diese Kapazitäten auch für andere schwer kranke Menschen zur Verfügung stehen: für Patienten mit einem Herzinfarkt, Unfallpatienten oder für Patienten mit einer Krebserkrankung. „Wenn die Möglichkeiten der Krankenhäuser von Menschen in Anspruch genommen werden, die nicht geimpft sind, ist das ein Problem“, betonte Gaß.
In diesem Zusammenhang forderte er auch verantwortungsvolle Vorbilder: „Es ist mehr als kritisch, wenn der bayerische stellvertretende Ministerpräsident monatelang in der Öffentlichkeit darüber nachdenkt, ob er sich nun impfen lassen soll oder nicht.“ Ebenso kritisch sei es, wenn in den Fußballstadien 2G-Regeln herrschten, auf dem Fußballrasen aber nicht.
Lage in vielen Regionen dramatisch
„Derzeit ist die Lage in den deutschen Krankenhäusern in vielen Regionen dramatisch“, berichtete Gaß. „Dort, wo die COVID-19-Inzidenz hoch ist, haben die Krankenhäuser wieder mit regionalen und überregionalen Verlegungen begonnen.“ Heute seien etwa 3.100 Intensivbetten mit COVID-19-Patienten belegt.
„Und selbst, wenn wir ab heute alle zu Hause bleiben, werden wir die 4.000er-Marke nicht mehr verhindern können“, betonte Gaß. „Denn die Patienten, die noch dazukommen werden, sind heute schon infiziert. Und wir machen uns große Sorgen, dass es noch darüber hinaus gehen wird.“
In dieser Situation sei der Frust in den Kliniken groß. Denn es gebe Versäumnisse, die jetzt die Mitarbeiter der Krankenhäuser ausbaden müssten. „So haben wir bis heute keinen nationalen Krisenstab, der kontinuierlich tagt und in dem die wesentlichen Akteure des Gesundheitswesens vereint sind“, kritisierte Gaß. „Das hätte für Akzeptanz gesorgt und die Vielstimmigkeit verhindert, die wir erleben.“
Zudem kritisierte er, dass die Impfzentren geschlossen wurden, kurz bevor viele geimpfte Bürger ihre Boosterimpfung erhalten mussten. „Allen war klar, dass eine Boosterimpfung nach sechs Monaten gebraucht wird“, sagte Gaß.
Zudem würden Krankenhäuser noch heute Informationen über die COVID-19-Patienten auf Papier an die Gesundheitsämter übermitteln. „Uns wurde von den Gesundheitsämtern kein digitales Meldeverfahren zur Verfügung gestellt“, kritisierte Gaß. „Nach 20 Monaten Pandemie ist das unverständlich.“
Unverständlich sei zudem, warum ein Arbeitgeber seine Mitarbeiter nicht fragen dürfe, ob sie geimpft seien, während diese ihren Impfnachweis an der nächsten Pizzeria vorzeigen müssten. „Wir erwarten jetzt Entscheidungen von der Politik“, betonte Gaß.
Darüber hinaus forderte der DKG-Vorsitzende die Einführung eines finanziellen Rettungsschirms für die Krankenhäuser in der vierten Pandemiewelle. „Wir brauchen dringend einen wirksamen Rettungsschirm, der uns in die Lage versetzt, unsere volle Flexibilität zur Verfügung zu stellen“, sagte Gaß.
Bislang sei ein Zuschlag für die Krankenhäuser vorgeschlagen worden, die die COVID-19-Patienten versorgen. Das werde aber nicht ausreichen. Denn auch alle anderen Krankenhäuser hätten durch die Pandemie erhebliche wirtschaftliche Verluste. „Wir brauchen eine nachhaltige Botschaft für das Jahr 2022“, betonte Gaß. „Denn auch im kommenden Jahr wird die Pandemie noch nicht vorbei sein.“
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