Organspendeskandal am Universitätsklinikum Leipzig

Berlin – Auch am Universitätsklinikum Leipzig hat es offenbar zahlreiche Manipulationen bei Lebertransplantationen gegeben. Die Leitung des Universitätsklinikums Leipzig zeigte sich bestürzt: „Wir sind überrascht und bestürzt”, sagte der Medizinische Vorstand, Wolfgang Feig, am Mittwoch in Leipzig.
Die Prüfung durch zwei Kommissionen brachte nach seinen Worten bislang in 38 Fällen Manipulationen an Patientenakten zum Vorschein: 37 Fälle in den Jahren 2010 und 2011 sowie einen Fall 2012. Trotz der wiederholten Manipulationen bei der Organspende stellte Feig die bislang angewendete Praxis des Transplantationssystems in Deutschland nicht infrage. „Wir müssen dafür sorgen, dass die Regeln eingehalten werden", sagte er.
An dem Klinikum wurden Patienten fälschlich als Dialysepatienten ausgegeben, damit sie auf der Warteliste zur Organtransplantation nach oben rutschten. Dialysepatienten gelten als bedürftiger. Allerdings habe in den genannten 38 Fällen nie eine Dialyse stattgefunden, sagte Feig
Zuvor hatte bereits die Bundesärztekammer mitgeteilt, dass dort in zahlreichen Fällen Patienten fälschlich als Dialysepatienten ausgegeben worden seien, um sie auf der Warteliste zur Organtransplantation besser zu positionieren. Dies habe eine Überprüfung seitens zweier Kommissionen ergeben, deren Träger die Deutsche Krankenhausgesellschaft, der GKV-Spitzenverband und die Bundesärztekammer seien. Die Unregelmäßigkeiten müssten nun weiter geprüft werden, hieß es.
Die beiden Oberärzte, die das Transplantationsbüro des Klinikums bisher leiteten, seien beurlaubt worden, sagte Fleig. Der Vorstand habe auch den Direktor der Klinik für Transplantationschirurgie von seinen Aufgaben entbunden.
Fast alle Manipulationen seien in den Jahren 2010 und 2011 vorgenommen worden. Weshalb zu diesem Zeitpunkt plötzlich der Organ-Betrug angefangen habe, frage sich auch Vorstand Fleig, heißt es weiter in einem Bericht der Süddeutschen Zeitung. Es habe keinen nennenswerten, einschlägigen Personalwechsel gegeben. Auch sei die Zahl der Transplantationen in diesen Jahren keineswegs sprunghaft gestiegen. Der jetzt beurlaubte Klinikdirektor kam bereits im Jahr 2008 von Berlin nach Leipzig.
Im Jahr 2012 gab es offenbar nur noch eine Manipulation, sagte Fleig. Allerdings hatte Eurotransplant inzwischen den Betrug erschwert, im Zuge des Organspende-Skandals von Göttingen: Seither müssen Kliniken die Dialyseprotokolle beilegen, wenn sie Patienten auf die Warteliste bei Eurotransplant setzen. Zudem hatte die Bundesärztekammer (BÄK) die Allgemeinen Grundsätze für die Aufnahme in die Warteliste zur Organtransplantation in ihren Richtlinien verändert. Danach soll eine interdisziplinäre, organspezifische Transplantationskonferenz am jeweiligen Zentrum darüber entscheiden, ob ein Patient auf die Warteliste aufgenommen oder von ihr abgemeldet wird.
Zur Aufklärung des Leipziger Transplantations-Skandal soll eine Sonderermittlungsgruppe eingesetzt werden, wie der Vorsitzende der Ständigen Kommission Organtransplantation der Bundesärztekammer, Professor Hans Lilie, am Mittwoch sagte. Diese soll ab Anfang Januar tätig werden und in den kommenden drei Monaten einen Bericht vorlegen. Erst dann werde genau feststehen, in wie vielen Fällen Ärzte am Universitätsklinikum Leipzig Manipulationen an Akten von Patienten mit Leberkrankheiten vorgenommen hätten.
Die Bundesärztekammer (BÄK) betonte, das Vergabesystem laufe sicher und korrekt. BÄK-Präsident Frank Ulrich Montgomery sagte dem Tagesspiegel vom Donnerstag: „Die Transplantationsmedizin in Deutschland war wahrscheinlich noch nie so sicher und vor Schummeleien geschützt wie derzeit." Die Vorkommnisse von Leipzig lägen alle schon einige Zeit zurück, sagte Montgomery. Es sei auch bezeichnend, dass sie im vergangenen Jahr schlagartig aufgehört hätten, nachdem andernorts Skandale ans Licht gekommen seien.
Die Bundesregierung sieht zunächst keinen Handlungsbedarf. Eine Sprecherin von Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) verwies auf Vereinbarungen aus dem vergangenen August, zu denen unter anderem eine Überprüfung aller 47 Transplantationszentren gehöre. Die Forderung, eine unabhängige Kommission zur Kontrolle der Zentren einzurichten, wies die Sprecherin mit dem Hinweis zurück, dass die Untersuchungen bereits jetzt schon unabhängig stattfänden.
Bislang seien zehn dieser Zentren überprüft worden, von denen einige „Auffälligkeiten" aufgewiesen hätten. In drei Fällen werde diesen auch nachgegangen. Die Überprüfung finde unangekündigt statt. „Das Ziel ist, möglichst umfassend und transparent zu informieren und aufzuklären", betonte die Sprecherin.
In den vergangenen Monaten hatten mehrere Skandale um Manipulationen bei der Organvergabe die Öffentlichkeit erschüttert. Unter anderem an den Universitätskliniken in Regensburg und Göttingen hatten Ärzte Patienten bei der Organvergabe bevorzugt. Die Bereitschaft zur Organspende hat inzwischen deutlich abgenommen.
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