Osteoporose: Debatte um kardiale Risiken von Kalziumsupplementen hält an
Auckland – Die älteren Menschen zur Osteoporoseprophylaxe verordneten Kalziumsupplemente stehen im Verdacht, die Atherosklerose zu fördern. Eine im letzten Jahr im Britischen Ärzteblatt publizierte Studie hatte die Fachwelt jedoch nicht von einem erhöhten kardiovaskulären Risiko überzeugen können. Eine Re-Analyse der Women's Health Initiative im Britischen Ärzteblatt (BMJ 2011; 342: d2040) liefert jetzt neue Argumente.
Angestoßen wurde die Debatte durch die vor drei Jahren publizierte Auckland Calcium Study. Sie hatte den Einfluss von Kalziumsupplementen auf die Knochendichte und die Rate von osteoporotischen Frakturen untersucht. Bei der Auswertung war Mark Bolland von der Universität Auckland in Neuseeland aufgefallen, dass Frauen, die Supplemente einnahmen, häufiger einen Herzinfarkt erlitten.
Die Publikation im Britischen Ärzteblatt (BMJ 2008; 336: 262-6) löst eine Diskussion aus, die zunächst auf die Fachkreise beschränkt war. Am Ende waren die meisten Experten der Ansicht, dass die Daten ein erhöhtes Risiko nicht belegen, da es sich um eine Post-Hoc-Analyse zu einem vorher nicht festgelegten Endpunkt handelte. Außerdem war die Assoziation nicht in allen Endpunkten signifikant.
Im letzten Jahr lösten Bolland und Mitarbeiter die Diskussion durch eine Meta-Analyse neu aus. Auf der Basis von 15 placebokontrollierten Studien mit insgesamt etwa 20.000 Patienten ermittelten sie ein signifikant, wenn auch nur geringfügig erhöhtes Risiko von Myokardinfarkten unter der Kalziumsupplementierung (Hazard Ratio 1,27; 95-Prozent-Konfidenzintervall 1,01–1,59).
Nicht-signifikante Risikoerhöhungen zeigten sich für den Endpunkt Schlaganfall und den Composites aus Myokardinfarkt, Schlaganfall und plötzlichem Tod sowie für den Endpunkt Tod jeglicher Ursache. Dieses Mal war die Diskussion schon lebhafter. Am Ende überwog allerdings weiterhin die Skepsis.
Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft sah keinen Anlass, die aktuellen Empfehlungen zur Prävention und Behandlung der Osteoporose infrage zu stellen, zumal die Leitlinien Kalzium stets in Kombination mit Vitamin D empfehlen, die von Bolland nicht untersucht worden war.
Gegen ein Risiko schienen auch die Ergebnisse der Women’s Health Initiative Calcium/Vitamin D (WHI CaD) zu sprechen. In dieser Studie hatten mehr als 36.000 Frauen sieben Jahre lang eine Kombination von Kalzium plus Vitamin D gegenüber Placebo getestet, und am Ende hatte es in keinem der kardiovaskulären Endpunkte einen Anstieg unter der Supplementierung gegeben.
Allerdings hatte etwa die Hälfte der Frauen vor Beginn der Studie bereits Kalzium oder Vitamin D eingenommen, was nach Ansicht von Bolland eine negative Auswirkung auf das kardiovaskuläre Risiko verschleiert haben könnte.
Tatsächlich ergab seine Re-Analyse unter den 16.718 Teilnehmerinnen ohne frühere Kalziumeinnahme, dass die Einnahme von Kalzium und Vitamin D die einzelnen kardiovaskulären Ereignisse um 13 bis 22 Prozent erhöhte.
Das Signifikanzniveau wurde allerdings nur beim Herzinfarkt und dem Composite aus Herzinfarkt und Schlaganfall erreicht. Die Gesamtsterblichkeit war nicht erhöht. Bei den Frauen, die vor der Studie bereits Kalzium eingenommen hatten, wurde dagegen kein erhöhtes Risiko gefunden.
Um die Hypothese weiter zu untermauern, führte Bolland eine Meta-Analyse durch, in die neben der Subgruppe der WHI-CaD-Studie noch die Daten aus acht weiteren Studien einflossen. Auch hier war das Risiko auf einen Herzinfarkt signifikant erhöht (relatives Risiko RR 1,24; 1,07-1,45). Auch der Composite aus Herzinfarkt oder Schlaganfall trat unter einer Kombination unter Kalzium plus Vitamin D häufiger auf (RR 1,15; 1,03-1,27).
Dass diese Studie zu einer Neubewertung führen wird, erscheint dem Editorialisten Bo Abrahamsen von der Universität Kopenhagen unwahrscheinlich (BMJ 2011; 342: d2080), zumal die Risiken insgesamt gering ausfielen.
Nicht betroffen ist der heute bevorzugte Einsatz von Kalzium plus Vitamin D als Begleittherapie zu der Behandlung mit Bisphosphonaten. Diese Behandlung kann sich laut Abrahamsen auf Studien stützen, in denen die Gesamtsterblichkeit gesenkt wurde, ohne dass es zu einem Anstieg der kardiovaskulären Endpunkte gekommen sei.
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