Pandemieprävention: Gesundheitsexperten und Politiker rufen zum Handeln auf

Berlin – Die Welt muss die aktuelle Krise nutzen, Regierungen rund um den Globus müssen tätig werden, um die Lücken in den Gesundheitssystemen zu schließen, die die COVID-19-Pandemie offen gelegt hat. Und sie müssen weit stärker zusammenarbeiten, um weitere Pandemien zu verhindern. Diese Botschaft brachten in der ein oder anderen Form alle Teilnehmenden des zwölften World Health Summits mit, der am Sonntagabend in Berlin eröffnet wurde.
Die international besetzte Veranstaltung bringt in diesem Jahr über 3.000 Teilnehmende aus mehr als 100 Ländern zusammen, um über die größten Herausforderungen der Gesundheit zu diskutieren. Während im vergangenen Jahr nahezu alle Gesprächsrunden digital stattfinden mussten, waren zum diesjährigen Eröffnungstag wieder viele Gäste nach Berlin gereist, um in Präsenz teilnehmen zu können.
„Es tut gut, sich wieder von Angesicht zu Angesicht begegnen zu können“, erklärte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der den World Health Summit gemeinsam mit zahlreichen andere Repräsentanten aus Politik und Gesundheit eröffnete. Wie auch im vergangenen Jahr stand die Pandemie im Mittelpunkt aller Vorträge. Doch während 2020 noch Verunsicherung vorherrschte, drängten viele Redner am ersten Kongresstag der diesjährigen Veranstaltung zu Taten.
„Wir sollten jetzt aus der Zeit der Pandemie lernen und die richtigen Schlüsse daraus ziehen“, so Spahn. Die Weltgemeinschaft dürfe nun nicht riskieren, in Aktionismus zu verfallen und Doppelstrukturen zu schaffen, sondern die bereits vorhandene Struktur der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nutzen, um künftigen Krisen zu begegnen. „Die WHO ist nicht perfekt, aber sie ist das beste Instrument, das wir haben“, erklärte Spahn.
Die Mitgliedstaaten seien aufgerufen, mehr finanzielle Mittel als bisher für die Organisation bereit zu stellen und sie damit für kommende Herausforderungen zu stärken. Nur so könnten Krisen wie der Klimawandel angegangen werden, der globale Gesundheitskrisen weiter verschärfen dürfte. „Wir sollten den Moment außerdem dazu nutzen, einen internationalen Vertrag zur Pandemieprävention zu schaffen, der Regierungen rund um die Welt zur Verantwortung zieht“, so Spahn.
Sanktionen im Pandemievertrag
Die WHO-Mitglieder hatten im Mai beschlossen, einen neuen internationalen Pandemievertrag zu schließen. Er soll im November diskutiert werden und nach dem Willen eines Teils der Mitglieder rechtlich bindend für die Unterzeichner sein. „Ich bin der Meinung, dieser Vertrag sollte auch Sanktionen für Staaten beinhalten, die sich nicht richtig verhalten“, erklärte Spahn.
Damit spielte er unter anderem auf China an. Das Land hatte zu Beginn der Pandemie wichtige Informationen lange für sich behalten und gewährt Abgesandten der WHO bis heute keinen vollen Zugang zu Daten, die mit der Entstehung der Pandemie zusammenhängen.
WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus warnte indes davor, die Pandemie bereits als beendet anzusehen und erinnerte daran, dass weiterhin wöchentlich tausende Menschen an COVID-19 sterben. Er appellierte an alle reichen Länder der Welt, die ihre Impfziele bereits erreicht hätten, von weiteren Impfstofflieferungen zurückzutreten und diese ärmeren Ländern zukommen zu lassen.
Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, wies in einer Videobotschaft auf die Fortschritte hin, die seit Beginn der Pandemie gemacht wurden. „Vor einem Jahr war noch nicht klar, ob es eine Impfung gegen COVID-19 geben würde. Vor einem Jahr war kein Land der Welt wirklich auf eine globale Pandemie vorbereitet“, so Von der Leyen. Nun sei die Zeit gekommen, sich gemeinsam für künftige Gesundheitsgefahren zu wappnen.
Die neue EU-Behörde Hera (Health Emergency Preparedness and Response Authority), die im Frühjahr 2022 an den Start gehen soll, werde dabei einen wesentlichen Beitrag leisten. „Hera wird drohende Gesundheitsrisiken rechtzeitig aufspüren und entsprechend handeln. In Krisenzeiten wird die Behörde spezielle Befugnisse erhalten, um schnell und gezielt handeln zu können und die Lücken zwischen Ländern und in Gesundheitssystemen schnell überbrücken zu können“, erklärte von der Leyen.
Zudem werde Hera mit vergleichbaren Behörden in anderen Ländern und Staatenverbünden kooperieren, um global nötige Schritte unternehmen zu können. So könne künftig auch gefährlichen Krisen begegnet werden, die sich langsam entwickelten und daher weniger Aufmerksamkeit erhielten, als die aktuelle Pandemie. Dazu zähle etwa das sich verschärfende Problem der Antibiotikaresistenzen.
Sowohl zu diesem Thema als auch zu der Bedrohung durch den Klimawandel, dem Fachkräftemangel in der Pflege oder dem Kampf gegen Alzheimer werden in den kommenden Tagen Diskussionsrunden und Workshops auf dem World Health Summit stattfinden, die auch ohne Anmeldung digital verfolgt werden können.
Der Kongress fand erstmals 2009 zu Ehren des 300. Bestehens der Berliner Charité statt und steht seither unter der Schirmherrschaft der deutschen und französischen Staatsspitzen sowie der Präsidentin oder des Präsidenten der Europäischen Kommission und des Generaldirektors oder der Generaldirektorin der WHO.
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