Medizin

Parkinson: Bluttest könnte Entnahme von Rückenmarks­flüssigkeit ersetzen

  • Donnerstag, 9. Februar 2017
Uploaded: 01.03.2016 17:44:19 by mis
/dpa

Lund – Mit einem Bluttest konnten Forscher Parkinson ebenso sicher diagnostizieren, wie mit einer Analyse der Rückenmarksflüssigkeit. Ausschlaggebend ist dasselbe Pro­tein, das entsteht, wenn Nervenzellen absterben. Die Neurofilamente des fadenförmigen Proteins (Neurofilament light chain Protein, NfL) waren vor allem bei Menschen mit einem seltenen atypischen Parkinsonsyndrom (ADP) in erhöhter Konzentration im Blut detektierbar. Die schwedischen Forscher bestätigen hiermit die Ergebnisse einer frühe­ren Studie aus Neuron (2016; doi: 10.1016/j.neuron.2016.05.018). Die aktuelle Studie wurde in Neurology publiziert (2017; doi: 10.​1212/​WNL.​0000000000003680).

Vor allem im früheren Stadium fällt es schwer, mittels bildgebender Verfahren zwischen Parkinson und ähnlichen neurodegenrativen Erkrankungen wie etwa dem atypischen Parkinsonsyndrom (ADP) zu unterscheiden. Eine bessere Option könnte die Blut­ana­lyse für NfL sein. Sie ergab sowohl für frühe Stadien beider Erkrankungen als auch zu spä­teren Zeitpunkten eine vergleichbar gute Diagnose wie die Analyse der Rücken­marksflüssigkeit.

Die Forscher untersuchten 504 Menschen aus England und Schweden. Darunter waren Parkinsonpatienten, aber auch gesunde Teilnehmer und solche mit ähnlichen neuro­degenerativen Erkrankungen. In der Gruppe aus Schweden, deren Mitglieder bereits vier bis sechs Jahre erkrankt waren, lagen die Forscher mit ihrem Bluttest bei 82 Pro­zent der Positivbefunde richtig (Sensitivität). Bei den Negativbefunden lag die Treffer­quote bei 91 Prozent (Spezifität). Etwas schlechter schnitten die Werte bei jenen ab, die sich in früheren Krankheitsstadien befanden: 70 Prozent Sensitivität und 80 Prozent Spezifität.

Höhere NfL-Konzentration beim atypischen Parkinsonsyndrom
Die durchschnittliche Konzentration des NfL lag mit 27 pg/ml am höchsten bei der korti­kobasalen Degeneration, 25 pg/ml waren es bei der progressiven supranukleären Blick­lähmung und 20 pg/ml bei der Multisystematrophie. Bei gesunden Menschen zeigten sich niedrigere NfL-Level von etwa 10 pg/ml. Und auch bei Parkionsonpatienten waren die NfL-Level vergleichsweise niedrig – vermutlich, da der Nervenabbau bei ADP schneller voranschreite, sagt Erstautor Oskar Hansson von der Lund University. Die exakten Werte gemessen in pg/ml könnten bei einer weiteren Studienreihe jedoch auch anders ausfallen und insgesamt höher liegen, etwa bei 30 und 60 pg/ml, erklärt Hansson.

Bereits im Juli 2016 entdeckte ein Team um Mathias Jucker von der Universität Tübin­gen und Jens Kuhle von der Universitätsklinik in Basel, dass NfP nicht nur als Marker in der Rückenmarksflüssigkeit vorkommen. Im Mausmodell zeigten die Forscher, dass das Nervenprotein bei neurodegenerativen Krankheiten auch im Blut nachweisbar ist. Auch in Menschen konnten die Forscher nachweisen, dass sich NfL im Blut für die Diagnose von neurodegenerativen Krankheiten eignet.

Sie untersuchten dafür 205 Männer und Frauen, die entweder an Parkinson (n = 32), Lewy Body Demenz (n = 20), Multisystem­atrophie (n = 17), progressiver supranukleärer Paralyse (n = 24), corticobasaler Dege­ne­ration (n = 10), leichter kognitiver Bein­trächtigung (MCI, n = 33) oder einer Alzheimer-Demenz (n = 34) litten, und verglichen die Blutanalyse mit 35 gesunden Menschen. Die NfL-Konzentrationen im Blut waren durchschnittlich 1,5- bis 5,5-mal höher als die der gesunden Probanden.

NfL-Bluttest für die Klinik
In zwei bis drei Jahren möchte das Team aus Schweden einen Bluttest für den klini­schen Gebrauch zur Verfügung stellen. Dieser soll auch für Routinediagnosen zur Anwendung kommen, wenn es sich um relevante Fälle handelt, teilen die Autoren mit. Auch das Forscherteam um Jucker und Kuhle hat bereits einen ultrasensitiven Single Molecule Array (Simoa) Assay für NfL im Blut entwickelt. „Tatsächlich hat unsere Arbeits­gruppe bereits 2013 einen ersten analytisch validierten Test für NfL publiziert“, sagt Kuhle.

Insgesamt seien die Chancen relativ hoch, dass ein solcher Bluttest in naher Zukunft in Deutschland verfügbar ist, ist sich Kuhle sicher. Dieser könnte auch für Multiple Skle­rose, Amyotrophe Lateralsklerose, verschiedene Formen der Demenzen oder extra­pyramidale Erkrankungen eingesetzt werden. „Der diagnostische Nutzen und das Therapie­monitoring müssen aber erst noch in Studien belegt werden“, erklärt der Leiter der Neurologischen Poliklinik in Basel. Zunehmend können auch longitudinale Proben­sammlungen von gut charakterisierten Patienten wichtige Kenntnisse zur Anwendung im klinischen Alltag liefern. „Wir sind aktuell in mehrere derartige Untersuchungen in ver­schie­denen Indikationen involviert.“

gie

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