Patientensicherheit bei Kindern: Kritik an ungerechter Ressourcenverteilung

Berlin – In der Debatte um Reformen und Sparmöglichkeiten im Gesundheitswesen darf die Sicherheit von Patienten aus Sicht eines Netzwerks nicht in den Hintergrund geraten. Es müsse sichergestellt sein, dass Patientensicherheit bei den kommenden Diskussionen nicht zur Disposition stehe, sagte der Generalsekretär des Aktionsbündnisses Patientensicherheit (APS), Joachim Maurice Mielert, heute in Berlin.
Übermorgen ist der Welttag der Patientensicherheit. Der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ausgerufene Aktionstag rückt in diesem Jahr den Schutz von Neugeborenen und Kindern in den Mittelpunkt. Der Slogan in Deutschland lautet „Patientensicherheit von Kind an – eine Investition fürs Leben“. Weltweit wird dazu aufgerufen, Wahrzeichen an dem Tag in orangem Licht erstrahlen zu lassen.
„In der gesamten Kindermedizin mit ihren vielen Subspezialisierungen muss die bestmögliche Patientensicherheit die absolute Priorität vor anderen Aspekten wie zum Beispiel wirtschaftliche Überlegungen haben“, unterstrich Christian Deindl, stellvertretender APS-Vorsitzender und Kinderchirurg.
Für die Versorgung von Kindern würden ausreichend Personal und Zeit gebraucht. Kindermedizin sei jedoch „immer noch ein Stiefkind“, wenn es um die gerechte Verteilung von Ressourcen im Gesundheitssystem gehe, so Deindl. „Gesundheitspolitik und Gesundheitsökonomie sind noch zu sehr auf die erwachsene Welt fokussiert und übersehen dabei die besonderen Bedarfe, Chancen und Risiken bei der Versorgung von Kindern und deren Recht auf eine bestmögliche Patientensicherheit.“
Im Rahmen der anstehenden Ambulantisierungswelle und der Krankenhausreform gelte es, für die sichere Behandlung von Kindern besonders strenge fachliche Maßstäbe anzulegen, sagte Deindl. Kinder seien keine kleinen Erwachsenen und könnten keinesfalls nebenbei und generationsübergreifend mitbehandelt werden.
Es müsse sichergestellt werden, dass Patientensicherheit sowohl die ethische als auch die juristische Leitflagge für das Gesundheitswesen insgesamt sei, forderte Mielert. Er hält ein Patientensicherheitsgesetz für geboten. „Wir brauchen die Einbindung von Patientensicherheit als Rechtsnorm in die Sozialrechtsgebung und in die Fachgesetze des Bundes und der Länder.“ Solange Patientensicherheit ein „weicher Wert“ sei, fehle die Rechtssicherheit dafür.
Insbesondere auf Intensivstationen und bei komplexen Behandlungen seien Kinder besonders verletzlich, sagte die APS-Vorsitzende Ruth Hecker. „Risiken entstehen häufig dort, wo Systeme an ihre Grenzen kommen, bei Medikations- und Diagnostikfehlern, bei im Krankenhaus erworbenen Infektionen und ganz zentral an den Schnittstellen der Kommunikation zwischen allen Beteiligten.“
Hecker verwies auf internationale Zahlen der WHO, wonach jeder zehnte Patient im Gesundheitswesen geschädigt werde, mit mehr als drei Millionen Todesfällen pro Jahr. In der Neonatologie sei der Großteil der schweren unerwünschten Ereignisse durch konsequente Sicherheitsprotokolle vermeidbar. Allerdings fehlen dem Aktionsbündnis zufolge Daten speziell für Deutschland.
Eltern müssten als Partner ernst genommen werden, betonte Hecker. „Eltern sehen anders und oft viel mehr als die Profis. Sie sind die Brücke zwischen dem Behandlungsteam und dem Kind.“ Sie gut über die Verabreichung von Medikamenten aufzuklären, sei ebenfalls wichtig: zu Hause passierten Dosierungs- und Verabreichungsfehler.
Hecker plädierte zudem für Transparenz statt Schuldzuweisungen: „Lernen aus Fehlern muss wirklich auch in Deutschland Standard werden.“ Sie forderte zudem Maßnahmen wie zum Beispiel standardisierte Checklisten und doppelte Kontrollen bei Medikamentengaben.
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