„PedBrain“-Studie identifiziert neue Treiber-Gene für das Medulloblastom
Heidelberg – Eine der bisher größten Genom-Analysen bei Krebserkrankungen überhaupt hat zusammen mit einer Analyse von Epigenom und Transkriptom neue Treibermutationen und Pathomechanismen des Medulloblastoms identifiziert, die für besonders aggressive Verläufe bei Kindern verantwortlich sein könnten. An die Publikation in Nature (2017; 547: 311-317) knüpft sich die Hoffnung auf Therapiefortschritte bei einem schwer zu behandelnden Tumor.
Das Medulloblastom, ein Tumor im Kleinhirn, ist der häufigste maligne Hirntumor bei Kindern und Jugendlichen. Hirntumore sind in der Altersgruppe allerdings insgesamt selten und an einem Medulloblastom erkranken in Deutschland jedes Jahr weniger als hundert Kinder.
Derzeit werden aufgrund von molekularbiologischen Veränderungen vier Hauptuntergruppen unterschieden: WNT, SHH, Gruppe 3 und Gruppe 4. Für die ersten beiden Gruppen konnten einige mögliche Pathomechanismen identifiziert werden. WNT steht für „Wingless“, einer Gruppe von Rezeptoren für Wachstumsfaktoren in der Embryonalphase. SHH steht für Sonic Hedgehog, einem wichtigen Signalweg in der Embryogenese. In diesen beiden Gruppen sind die Behandlungsergebnisse relativ gut. 95 Prozent der Patienten mit WNT-Medulloblastom werden zu Langzeit-Überlebenden im Vergleich zu nur 50 Prozent bei Patienten der Gruppe 3. In den Gruppen 3 und 4 waren die zugrundeliegenden genetischen Veränderungen bislang wenig erforscht.
Dies hat sich durch die Ergebnisse der jetzt vorliegenden Studie geändert. Das internationale PedBrain-Projekt um Peter Lichter vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg hat das Genom von 491 Medulloblastomen sequenziert. Darüber hinaus wurde bei 1.256 Tumoren das Epigenom und bei 392 Tumoren das Transkriptom analysiert. Das Genom enthält die Erbinformation des Tumors. Als Epigenom kennzeichnet man Veränderungen der DNA-Methylierung. Sie beeinflussen, welche Gene abgelesen werden können. Das Transkriptom ist die Gesamtheit aller zu einem Zeitpunkt aktivierter Gene.
Zu den wichtigsten Entdeckungen gehören die Onkogene KBTBD4 und PRDM6, die bei den Gruppen 3 und 4 eine Rolle spielen könnten. KBTBD4 war hier das am häufigsten mutierte Gen. Die Mutation führte zum Einbau der Erbinformation (Insertion) für ein oder zwei Aminosäuren. Ob und wie dieser „Hotspot“ die Entwicklung des Tumors beeinflusst, werde derzeit untersucht, schreiben die Forscher. Das KBTBD4-Protein ist vermutlich zusammen mit Ubiquitin-Ligase-Enzymen an der Markierung von Proteinen beteiligt, die dadurch für ein Recycling freigegeben werden.
PRDM6 ist ein epigenetischer Regulator der Genaktivität. Seine Expression ist in der Gruppe 4 des Medulloblastoms deutlich erhöht. Als Ursache vermuten die Forscher ein „Enhancer Hijacking“. Das Krebsgen könnte im Genom an eine Stelle verschoben worden sein, wo seine Aktivierung durch einen „Enhancer“ verstärkt wird.
Die PRDM6-Aktivierung könnte nach den Ergebnissen der Untersuchung für 17 Prozent aller Medulloblastome aus der Gruppe 4 verantwortlich sein. Sollte PRDM6 tatsächlich der Auslöser dieser Tumore sein, dann könnten die Forscher den Tumor im Labor durch den Einbau des Gens (samt Enhancer) nachstellen. Ihnen stünde dann ein wichtiges Modell zur Erforschung der Erkrankung und zur Erprobung neuer Medikamente zur Verfügung.
Die Studienergebnisse haben laut Lichter den Anteil der Medulloblastome, die molekularbiologisch charakterisiert werden können, von 30 auf 80 Prozent erhöht.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: