Persistierende Infektionen mit SARS-CoV-2 sind nicht ungewöhnlich

Oxford – Persistierende Infektionen mit SARS-CoV-2, die ursprünglich nur bei immungeschwächten Personen vermutet wurden, treten auch in der Allgemeinbevölkerung auf. Eine repräsentative Stichprobe aus Großbritannien ermittelt in Nature (2024; DOI: 10.1038/s41586-024-07029-4) eine Prävalenz von 1 % bis 3 %. Die Betroffenen hatten ein erhöhtes Risiko auf Long COVID.
Bei den meisten Menschen dauert eine Infektion mit SARS-CoV-2 nur ein bis zwei Wochen. Während der Pandemie wurde immer wieder über Patienten berichtet, bei denen der PCR-Test über Monate hinweg immer wieder positiv ausfiel.
Meist handelte es sich um multimorbide Personen, deren Immunsystem zu schwach war, um die Viren dauerhaft zu eliminieren. Bei diesen Patenten kam es häufiger zu Mutationen im Virusgenom. Sie wurden deshalb auch als „Brutstätten“ für die Entwicklung neuer Virusvarianten angesehen.
Ein Team um Katrina Lythgoe vom „Big Data Institute“ der Universität Oxford kann jetzt zeigen, dass persistierende Infektionen keine Einzelfälle sind. Die Forscher werteten die Daten der „Office for National Statistics Covid Infection Survey“ aus, die eine repräsentative Stichprobe der Bevölkerung unabhängig von Symptomen um die regelmäßige Abgabe von Abstrichen gebeten hatte.
Von den über 90.000 Teilnehmern hatten im Zeitraum von November 2020 bis August 2022 insgesamt 3.603 zwei oder mehr positive Proben. Die Sequenzierungen der Virusgene ergaben, dass 381 Personen über einen Zeitraum von einem Monat oder länger mit derselben Virusvariante infiziert waren. Bei 54 Personen dauerte die Infektion sogar mehr als zwei Monate. Die Forscher schätzen die Häufigkeit einer Persistenz auf 0,7 % bis 3,5 % nach 30 Tagen und von 0,1 bis 0,5 % nach 60 Tagen.
In einigen Fällen blieben Einzelpersonen mit Virusvarianten infiziert, die in der Allgemeinbevölkerung bereits verschwunden waren. Dagegen waren erneute Infektionen mit derselben Variante sehr selten. Die Forscher vermuten, dass die Immunität nach einer Infektion dies in der Regel auf lange Zeit verhindert. Reinfektionen waren in der Studie in der Regel auf andere Varianten zurückzuführen.
Bei 65 der 381 Personen mit persistierenden Infektionen wurden drei oder mehr PCR-Tests durchgeführt. Die meisten (82 %) dieser Personen zeigten eine wechselnde Virusdynamik: Auf hohe Viruslasten konnten niedrige und dann wieder hohe Viruslasten folgen. Laut den Forschern zeigt dies, dass das Virus die Fähigkeit zur aktiven Vermehrung auch bei längeren Infektionen behalten kann.
Insgesamt 32 von 356 Patienten gaben an, dass sie auch nach zwölf Wochen noch unter Symptomen litten. Sie erfüllten damit eine gängige Definition von Long COVID. Von den Teilnehmern, bei denen die Infektion weniger als 30 Tage gedauert hatte, waren 5,4 % an Long COVID erkrankt. Die Forscher ermitteln eine adjustierte Odds Ratio von 1,55, die mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 1,07-2,25 signifikant war.
Eine persistierende Infektion erhöht damit das Risiko auf Long COVID um 55 %. Lythgoe weist aber darauf hin, dass persistierende Infektionen insgesamt nur einen sehr kleinen Anteil an allen Long COVID-Fällen haben und deshalb sicherlich nicht die einzige Erklärung sind.
Bei den meisten Patienten ist es im Verlauf der verlängerten Infektion nur zu vereinzelten Virusmutationen gekommen. Die Ausnahme bildete ein Patient, dessen BA.1-Infektion über mindestens 133 Tage andauerte. In dieser Zeit kam es zu 33 Mutationen. Aufgrund der Häufung bestimmter Mutationen vermutet Lythgoe, dass der Patient mit Molnupiravir behandelt wurde. Das Medikament verhindert eine Replikation des Virus, indem es zahlreiche Mutationen erzeugt. Das Mittel wird heute nicht mehr eingesetzt, da es die Bildung von neuen Virusvarianten fördert.
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