Politik

Pflege-Bahr bleibt deutlich hinter Erwartungen zurück

  • Donnerstag, 25. September 2014

Berlin – Seit Einführung des sogenannten Pflege-Bahrs zum 1. Januar 2013 haben etwa 500.000 Menschen diese private Pflegezusatzversicherung abgeschlossen. Das erklärte Andreas Besche vom Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) gestern bei einer Anhörung vor dem Gesundheitsausschuss des Bundestages. 28,6 Prozent der Verträge seien dabei von Versicherten abgeschlossen worden, die jünger sind als 40 Jahre sind, 50,2 Prozent sind zwischen 40 und 50 Jahren alt und 22,4 Prozent älter als 60 Jahre. Zudem habe der Pflege-Bahr auch eine Auswirkung auf die ungeförderten Pflegezusatzversicherungen der PKV-Unternehmen gehabt, meinte Besche. Diese hätten seit Einführung des Pflege-Bahrs um 25 Prozent auf 2,3 Millionen zugelegt. Dennoch seien eine halbe Million Abschlüsse weniger gewesen, als man erwartet habe.

„Nischenprodukt für einkommensstarke Haushalte“
Heinz Rothgang vom Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen wies darauf hin, dass die schwarz-gelbe Regierung selbst 1,5 Millionen Abschlüsse angestrebt habe. Insofern könne man 500.000 schwerlich als Erfolg bezeichnen. „Der Pflege-Bahr ist ein Nischenprodukt für einkommensstarke Haushalte, die dadurch subventioniert werden“, kritisierte er. „Es ist eine Umverteilung von unten nach oben. Für eine Sozialpolitik ist das zumindest bemerkenswert.“

Die Leistungen des Pflege-Bahrs müssten in der Pflegestufe III lediglich 600 Euro im Monat umfassen, in den Pflegestufen I und II seien sie sogar frei kalkulierbar. „Das ist lächerlich wenig, wenn man sich einmal die Versorgungslücken anschaut“, sagte Rothgang. In den Pflegestufen I und II seien die Beträge nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. In der Pflegestufe III sei der Betrag schon nennenswert – dennoch trage der Pflege-Bahr nicht dazu bei, die beachtliche Versorgungslücke in nennenswertem Umfang zu schließen.

Herbert Weisbrod-Frey von der Gewerkschaft Verdi kritisierte zudem, dass beim Pflege-Bahr etwa zehn Prozent der Zuschüsse des Staates aufgewendet werden müssten, um Bürokratiekosten zu finanzieren. „Das scheint uns bei der Anzahl der Beträge ein enormer Verwaltungsaufwand zulasten der Versicherten zu sein“, sagte er.  

„Kinderlose müssten stärker zur Kasse gebeten werden“
Mit dem ersten Pflegestärkungsgesetz soll der Beitragssatz zur Pflegeversicherung zum 1. Januar 2015 um 0,3 Prozentpunkte angehoben werden. Das Bundesgesundheits­ministerium erwartet dadurch Zusatzeinnahmen von 3,63 Milliarden Euro. Ein Drittel dieser Mehreinnahmen soll dabei zum Aufbau eines Vorsorgefonds verwendet werden.

Das Ziel, das mit der Einrichtung dieses Fonds erreicht werden soll, bezeichnete Eckhart Bomsdorf vom Institut für Ökonometrie und Statistik der Universität Köln als richtig. Allerdings seien die 0,1 Prozentpunkte zu knapp kalkuliert. Bomsdorf sprach sich stattdessen für 0,25 Prozentpunkte aus. „Oder Kinderlose müssten stärker zur Kasse gebeten werden“, so Bomsdorf weiter, „weil sie wesentliche Teile des demografischen Wandels zu verantworten haben.“

In dem Gesetz ist zudem vorgesehen, dass künftig die Hälfte der Leistungsbeträge für ambulante Pflegesach­leistungen, die für die jeweilige Pflegestufe vorgesehen sind, auch für niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsleistungen eingesetzt werden dürfen. Der Sozialforscher Ulrich Schneekloth von der TNS Infratest Sozialforschung befürwortete diese Regelung. „Die Entlastungsleistungen liefern einen Katalog von Möglichkeiten, der zum ersten Mal dazu führt, dass pflegende Angehörige für den Kernbereich ihrer Leistungen Unterstützungen bekommen“, sagte er. Das Hauptmotiv, Sachleistungen in Anspruch zu nehmen, sei hingegen, dass Leistungen übernommen würden, die man selbst nicht machen könne. Dass eine Konkurrenzsituation zwischen beiden Angeboten entstehen könne, sehe er nicht. / fos

fos

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