Politik

Politik denkt über Impfrecht für Apotheker und Pflegekräfte nach

  • Montag, 29. November 2021
/picture alliance, Hendrik Schmidt
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Berlin – Angesichts der dramatischen Coronalage denkt die Politik in Deutschland darüber nach, beim Impfen gegen SARS-CoV-2 auch Apotheker und Pflegekräfte einzubinden sowie alle Ärzte an der Impf­kampagne beteiligen zu können. Aus Sicht der Gesundheitsminister der Länder sollten künftig auch Zahnärzte mit einbezogen werden.

Der Bund sei gebeten, die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, sagte der Vorsitzende der Ressortchefs, Klaus Holetschek (CSU) aus Bayern, heute Abend in München nach einer Schaltkonferenz. Er verwies auf bestehende Regelungen, nach denen Apotheken in regionalen Modellprojekten bereits Grippeimpfungen machen können.

Holetschek machte mit Blick auf Apotheken und Zahnärzte deutlich, dass eine Regelung für sie nicht von heute auf morgen umgesetzt werden könne. Auch für die Zukunft blieben Auffrischimpfungen aber wich­tig. Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte unlängst eine Gesetzesänderung angeregt.

Die rechtliche Möglichkeit dazu müsse schnell und „am besten diese Woche“ geschaffen werden, sagte er im ZDF-„Morgenmagazin“. Dadurch werde das Boostern „einen neuen Schub bekommen“. Das sei auch die besten Strategie gegen die neuartige Omikron-Variante des Coronavirus. „Wir müssen boostern, boostern, boostern“, sagte Söder.

Die Parteichefs von FDP und Grünen haben ebenfalls eine deutliche Ausweitung der Impfkampagne ge­for­­dert. Bis Weihnachten müssten viele Millionen Menschen Auffrischungsimpfungen bekommen und Erst­impfungen verabreicht werden, sagte FDP-Chef Christian Lindner gestern Abend in der ARD-Sendung „Anne Will“.

„Jeder, der medizinisch verantwortbar eine Spritze halten kann, um eine Impfung zu geben, soll das in den nächsten Wochen tun“, sagte Lindner. Aus seiner Sicht sollte sich auch Apotheken beteiligen, wenn das medizinisch möglich und jemand ausgebildet sei. Er wisse, dass das unter Ärzten kritisch gesehen werde, das müsse aber zurückstehen.

Grünen-Chefin Annalena Baerbock sagte in der ARD-Sendung, das Boostern sei jetzt entscheidend. Es müssten zudem Vorbereitungen für Kinderimpfungen getroffen werden. Sobald dieser Impfstoff da sei, sollten vor jeder Schule mobile Impfbusse stehen, um Kinder zu impfen, forderte Baerbock.

Die Frage, wer in der Coronakrise die Menschen gegen SARS-CoV-2 impfen soll, hatte bereits in der ver­gangenen Woche zu Streit zwischen dem Robert-Koch-Institut (RKI) auf der einen Seite und der Kassen­ärztlichen Bundesvereini­gung (KBV) auf der anderen Seite geführt.

RKI-Präsident Lothar Wieler hatte im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) erklärt, dass Impfstoff genug vorhanden sei. Allerdings scheitere das „nicht zuletzt an der Vertretung der Ärzte und Ärztinnen“, so der RKI-Chef.

Er hatte bemängelt, es brauche eine „nationale Kraftanstrengung“ und Standesrecht solle dem nicht im Wege stehen. Die Ärztevertreter wollten etwa nicht, dass Apotheker oder zum Beispiel Tierärzte oder Pensio­näre impfen würden, und würden sich auf das Standes- und Haftungsrecht berufen.

„Auch wenn es vermutlich rechtliche und organisatorische Hindernisse geben würde: In der derzeit herr­schenden Notlage finde ich schon bemerkenswert, dass bestimmte Interessengruppen das Eigenin­teresse offenbar über das Gemeinwohl stellen“, so der RKI-Chef.

Der KBV-Vorstand reagierte mit Unverständnis. KBV-Chef Andreas Gassen, KBV-Vize Stephan Hofmeister und KBV-Vorstand Thomas Kriedel wiesen die Kritik zurück.

„Es ist unverschämt, unangebracht und im Ton völlig vergriffen, zu behaupten, es scheitere an den Ver­tretungen der Ärzte und Ärztinnen, dass das Impftempo im Sinne einer nationalen Kraftanstrengung nicht vorankomme“, sagte der KBV-Vorstandsvorsitzende Andreas Gassen. Weit mehr als 50 Millionen Impfungen hätten in den Praxen bereits stattgefunden.

„Das eigentliche Problem ist nicht das Boostern, sondern stellt die Tatsache dar, dass rund 13 Millionen Erwachsene in Deutschland noch gar nicht geimpft sind. Wenn wir das Coronavirus zurückdrängen wollen, müssen wir diese Menschen erreichen“, betonte Hofmeister.

afp/dpa/kna/may

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