Positionspapier der Allgemeinmediziner soll Wissen für Krisen festhalten

Berlin – Hausärzte sind in der Coronapandemie besonders gefordert gewesen. Darauf hat der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), Martin Scherer, kürzlich auf einer Pressekonferenz hingewiesen. In dem Wissen, dass weitere Krisen folgen können, sollen die in der Pandemie gewonnenen Kenntnisse nicht verloren gehen.
„Wir haben drei Jahre lang sehr viel Erfahrung gesammelt – gute wie schlechte“, sagte der Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Daher habe die DEGAM ein Positionspapier verfasst, um besser auf mögliche Herausforderungen – etwa durch weitere Pandemien oder auch humanitäre Krisen wie Geflüchtete aus Kriegsgebieten – vorbereitet zu sein.
Das DEGAM-Positionspapier „Lessons learned aus der Pandemie“ umfasst verschiedene Aspekte. So fordern die Autorinnen und Autoren etwa eine systematisch aufbereitete multidisziplinäre Evidenz, die als Handlungsgrundlage zu verstehen sei.
Der DEGAM-Vizepräsidentin und Direktorin des Instituts für Allgemeinmedizin der Universitätsmedizin Göttingen, Eva Hummers, zufolge bieten sich dafür Living Guidelines an. „Es wird ja selten bei Null gestartet“, führte Hummers aus, „es gibt oft Dinge, die man finden und zusammenführen muss.“ Das erfordere schnelle Absprachen zwischen den Beteiligten und anschließend eine schnelle Weiterentwicklung. Allerdings müsse schon eine gewisse Zeit eingeplant werden.
Eine weitere Forderung betrifft die Einbindung der Hausärztinnen und Hausärzte in die Erarbeitung von Krisen- und Katastrophenplänen. So hätten Vertreter der Allgemeinmedizin und der Krankenhaushygiene in die Entscheidungen im Rahmen der Coronapandemie mit einbezogen werden sollen, sagte Jonas Schmidt-Chanasit, Arbeitsgruppenleiter Arbovirologie und Entomologie am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin und Inhaber des Lehrstuhls für Arbovirologie an der Universität Hamburg. „Das wäre von Anfang an sehr wichtig gewesen.“
Wichtig seien darüber hinaus gut strukturierte Beratergremien, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Entscheidungen zu erhalten. Dafür ist Schmidt-Chanasit zufolge maximale Transparenz notwendig, ohne die Mitarbeit der Bevölkerung gehe es in einer solch herausfordernden Situation nicht.
In diesem Zusammenhang fordert die DEGAM auch, dass es für die Arbeit von unabhängigen wissenschaftlichen Institutionen wie der Ständigen Impfkommission (STIKO) eine breite Akzeptanz gibt beziehungsweise sich dafür eingesetzt wird. So würde sich das STIKO-Mitglied Hummers wünschen, „dass Politiker auf vorhandene Beratergremien hören.“
Statements von Politikern, die zum Beispiel nicht mit den Impfempfehlungen der STIKO übereinstimmten, seien nicht hilfreich. Hummers zufolge sollte die Arbeit dieser Gremien unterstützt werden, so dass auf sie und ihre Empfehlungen gehört werde. Denn es seien Expertengremien, die unabhängig arbeiteten und gute sowie evidenzbasierte Empfehlungen geben könnten.
Das beträfe nicht nur die STIKO, sondern auch weitere Institutionen wie das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), ergänzte Scherer. „Das Vertrauen in diese Institutionen wurde geschwächt.“
Die DEGAM setze sich deshalb für systematisch aufbereitete Evidenz ein, die man einerseits in Leitlinien, aber andererseits auch in diesen Institutionen findet. Das sei auch für eine umfassende Information der Bevölkerung wichtig.
Hier könnten Hausarztpraxen eine wichtige Rolle spielen, durch sie gelangt laut DEGAM-Positionspapier Wissen (zu gesundheitlichen Fragen) auch in die Bevölkerung. Das sei als eine der Kernaufgaben in Krisenzeiten zu betrachten. Zudem sollten „Hausarztpraxen als niedrigschwellige primäre Versorgungsstruktur für alle sozialen Schichten“ gestärkt werden.
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