Ärzteschaft

Projekt zur Digitalisierung medizinischer Leitlinien aufgelegt

  • Donnerstag, 10. Dezember 2020
/ronstik, stock.adobe.com
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Berlin – Evidenzbasiertes, medizinisches Wissen muss künftig auch digital zur Verfügung gestellt wer­den. Dafür hat sich die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesell­schaften (AWMF) im Vorfeld des Berliner Forums zum Thema Wissensmanagement ausgesprochen. Gerade die vergangenen Monate hätten gezeigt, wie wichtig fundierte wissenschaftliche Informationen auch in Onlineangeboten seien.

„Die Digitalisierung im Gesundheitswesen muss maßgeblich durch die medizinische Wissenschaft ge­stal­tet werden“, sagte Rolf Kreienberg, Präsident der AWMF. Darum habe die Arbeitsgemeinschaft eine digi­tale Agenda aufgesetzt und verfolge in diesem Rahmen zwei Projekte: Zum einen die Digitalisierung von Leitlinienwissen. Zum anderen die Qualitätssicherung von digitalen Gesundheitsanwendungen.

Hierfür werde aktuell ein strukturiertes Datenmodell entwickelt, um evidenzbasiertes Wissen austau­schen und in die Breite tragen zu können. Ziel sei es, dieses Wissen in sämtliche Gesundheitsanwendun­gen – Arztinformationssysteme, Lernplattformen, Informationsportale und Apps – einfließen zu lassen. Darüber hinaus soll Ärzten im Praxisalltag ein schneller und unkomplizierter Zugang zu den Leitlinien ermöglicht werden.

„Leitlinien umfassen bis zu 400 Seiten – es sind digitale Bücher“, erläuterte Ina Kopp, Leiterin des AW­MF-Instituts für Medizinisches Wissensmanagement (AWMF-IMWi) Berlin. Wichtig sei daher, einfache Strukturen zu etablieren, die evidenzbasiertes Wissen im Alltag zugänglich machen. Der Blick ins euro­pä­ische Ausland zeige, welche Möglichkeiten es gibt.

So sei in Finnland die elektronische Patientenakte bereits seit Jahren ein akzeptiertes Tool nicht nur für das Gesundheitsmanagement sondern auch für die Wissensvermittlung. Denn in der Patientenakte seien Empfehlungen und Leitlinienwissen hinterlegt – dies biete Patientinnen und Patienten eine Unter­stüt­zung in der Behandlungsentscheidung.

Dass die Digitalisierung zahlreiche Vorteile bietet, betonte auch Miriam Walther, wissenschaftliche Mit­arbeiterin der Nationalen Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbst­hilfegruppen Berlin (NAKOS). So fände neben dem schnellen Informationsaustausch auch eine stärkere Vernetzung statt, die gerade den Bereich Selbsthilfe für mehr Menschen öffnen könne. Es bestünde aber auch die Gefahr, Menschen auszuschließen, die über weniger technisches Know-how, Ausstattung oder finanzielle Mittel verfügten.

Wichtig sei daher, bei der Beratung und Entscheidung über digitale Strategien auch Patienten einzu­beziehen. „So kann sichergestellt werden, dass die Interessen von Menschen mit Erkrankungen und Behinderungen berücksichtigt werden und es nicht zu Ausschlüssen kommt.“

Die AWMF plant, in vier bis fünf Jahren mit einem digitalen Leitlinienregister an den Start zu gehen. Bei der Umsetzung hat sich die Arbeitsgemeinschaft an bestehenden internationalen Modellen orientiert und diese auf ihre Tauglichkeit für den nationalen Einsatz geprüft.

Aktuell befinde man sich in der Umsetzungsphase, erste Lösungen stünden schon bereit: „Diese Start­lösungen umfassen Templates für die einheitliche Erstellung von Leitlinien, die Option zur Erprobung eines bereits vorhandenen Portals für die digitale Leitlinienerstellung und – vor allem – das AWMF-Portal „Interessenerklärung Online“ zur digitalen Darlegung von Interessen und zum Umgang mit In­teressen­konflikten, welches als Innovation auf nationaler und internationaler Ebene anzusehen ist“, er­läutert Kopp. Begleitet wird das Projekt durch Task Forces, die beratend und supervidierend zur Seite stehen.

Im Rahmen des Berliner Forums am 11. Dezember 2020 werden Experten über den aktuellen Umset­zungs­stand des Projekts sprechen. Es soll außerdem Akteure des Gesundheitswesens zusammenbringen und die Diskussion von Wissenschaft und Politik für die zukünftige Gestaltung der digitalen Transforma­tion im deutschen Gesundheitswesen befördern, so Kopp. Denn nur über den gemeinsamen Dialog könnten digitale Lösungen entstehen, die sich am gesellschaftlichen Bedarf orientierten.

kk

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