Protest gegen erweiterte polizeiliche Befugnisse in der DNA-Analyse
Berlin – Wissenschaftler, Ärzte und Bürgerrechtsorganisationen protestieren gegen Pläne der Politik, erweiterte DNA-Analysen in der Forensik in Deutschland gesetzlich möglich zu machen. An dem Protest beteiligt sich unter anderem der Verein demokratischer Ärztinnnen und Ärzte. Der Entwurf für ein „Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ des Landes Baden-Württemberg liegt dem Bundesrat vor und soll noch im April dort beschlossen werden.
Das Gesetz sieht eine Änderung der Strafprozessordnung vor, um künftig „erweiterte DNA-Analysen“ in der Verbrechensermittlung einsetzen zu können. Anlass für den Gesetzesvorstoß ist der Mord an einer Medizinstudierende in Freiburg im vergangenen Jahr. „Die Ermittlungen, vor allem der Fund einer DNA-Spur an der Leiche, haben Forderungen nach einer Gesetzesänderung provoziert:
DNA-Analysen nach Haar-, Haut- und Augenfarbe
Neue DNA-Analysen sollten, so der Tenor bis in Regierungskreise, für Ermittlungen genutzt werden dürfen, um den Täterkreis hinsichtlich der geografischen Herkunft sowie der Haar-, Haut- und Augenfarbe einzugrenzen“, erläutern Wissenschaftler aus Freiburg, Frankfurt und London in einem offenen Brief.
Im Folgenden warnen sie, die Anwendung von DNA-Technologien in der Ermittlungsarbeit sei weder einfach noch trivial. Wer eine Ausweitung der polizeilichen Möglichkeiten in diesem Bereich fordere, sollte zunächst die Komplexität dieser Ermittlungsinstrumente zur Kenntnis nehmen. „Sie birgt rechtliche, ethische und soziale Risiken, die jeden einzelnen Bürger treffen können“, heißt es. Das Land Bayern hat sich dem Gesetzesentwurf jedoch bereits angeschlossen und eine Erweiterung um die Analyse der regional genetischen Herkunft gefordert.
Den Wissenschaftlern zufolge sind die zur Diskussion stehenden DNA-Analysen „hochkomplexe Technologien, deren technische Zuverlässigkeit für forensisches Arbeiten im Polizeidienst keineswegs einwandfrei geklärt ist“. Auf dem Spiel stehe bei dem Gesetzentwurf „nichts Geringeres als das Verhältnis von Staat und Mensch“, denn „prinzipiell jeder (nicht nur Minderheiten)“ könne von Fehlzuordnungen und -interpretationen betroffen sein. „Hier geht es um Datensicherheit und den Schutz der Privatsphäre, rechtliche Prinzipien wie Unschuldsvermutung, Beweislast und Verhältnismäßigkeit der Mittel“, warnen sie.
„Diese Analysen erlauben keine eindeutigen Aussagen, es geht hier um Wahrscheinlichkeitsberechnungen. Diese sind nicht nur methodisch hochproblematisch“, sagte Susanne Schultz, Vorstandsmitglied des „Gen-ethischen Netzwerks“ in Berlin. Infolge der technisch fragwürdigen Analyse körperlicher Merkmale und Herkunftsmarker könnten Gruppen Opfer von Hetzkampagnen werden, warnte sie. Die Bürgerrechtsorganisationen protestieren daher gegen den Gesetzentwurf und fordern die Verantwortlichen auf, von den Plänen Abstand zu nehmen.
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