Ärzteschaft

Protest gegen erweiterte polizeiliche Befugnisse in der DNA-Analyse

  • Mittwoch, 26. April 2017

Berlin – Wissenschaftler, Ärzte und Bürgerrechtsorganisationen protestieren gegen Plä­ne der Politik, erweiterte DNA-Analysen in der Forensik in Deutschland gesetzlich mög­lich zu machen. An dem Protest beteiligt sich unter anderem der Verein demokratischer Ärztinnnen und Ärzte. Der Entwurf für ein „Gesetz zur effektiveren und praxistaugli­che­ren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ des Landes Baden-Württemberg liegt dem Bundes­rat vor und soll noch im April dort beschlossen werden.

Das Gesetz sieht eine Änderung der Strafprozessordnung vor, um künftig „erweiterte DNA-Analysen“ in der Verbrechensermittlung einsetzen zu können. Anlass für den Ge­set­­zesvorstoß ist der Mord an einer Medizinstudierende in Freiburg im vergangenen Jahr. „Die Ermittlungen, vor allem der Fund einer DNA-Spur an der Leiche, haben Forderun­gen nach einer Gesetzesänderung provoziert:

DNA-Analysen nach Haar-, Haut- und Augenfarbe 

Neue DNA-Analysen sollten, so der Tenor bis in Regierungskreise, für Ermittlungen genutzt werden dürfen, um den Täterkreis hin­sichtlich der geografischen Herkunft sowie der Haar-, Haut- und Augenfarbe einzugren­zen“, erläutern Wissenschaftler aus Freiburg, Frankfurt und London in einem offenen Brief.

Im Folgenden warnen sie, die Anwendung von DNA-Technologien in der Ermitt­lungs­ar­beit sei weder einfach noch trivial. Wer eine Ausweitung der polizeilichen Möglich­keiten in diesem Bereich fordere, sollte zunächst die Komplexität dieser Ermittlungsinstrumente zur Kenntnis nehmen. „Sie birgt rechtliche, ethische und soziale Risiken, die jeden ein­zel­nen Bürger treffen können“, heißt es. Das Land Bayern hat sich dem Gesetzes­entwurf je­doch bereits angeschlossen und eine Erweiterung um die Analyse der regional gene­tischen Herkunft gefordert.

Den Wissenschaftlern zufolge sind die zur Diskussion stehenden DNA-Analysen „hoch­kom­plexe Technologien, deren technische Zuverlässigkeit für forensisches Arbeiten im Po­li­zei­dienst keineswegs einwandfrei geklärt ist“. Auf dem Spiel stehe bei dem Gesetz­entwurf „nichts Geringeres als das Verhältnis von Staat und Mensch“, denn „prinzipiell jeder (nicht nur Minderheiten)“ könne von Fehlzuordnungen und -interpretationen be­troffen sein. „Hier geht es um Datensicherheit und den Schutz der Privatsphäre, recht­liche Prin­zipien wie Unschuldsvermutung, Beweislast und Verhältnismäßigkeit der Mittel“, warnen sie.

„Diese Analysen erlauben keine eindeutigen Aussagen, es geht hier um Wahrschein­lich­keitsberechnungen. Diese sind nicht nur methodisch hochproblematisch“, sagte Susan­ne Schultz, Vorstandsmitglied des „Gen-ethischen Netzwerks“ in Berlin. Infolge der tech­nisch fragwürdigen Analyse körperlicher Merkmale und Herkunftsmarker könnten Grupp­en Opfer von Hetzkampagnen werden, warnte sie. Die Bürgerrechtsorganisa­tionen pro­testieren daher gegen den Gesetzentwurf und fordern die Verantwortlichen auf, von den Plänen Abstand zu nehmen.

hil

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