Psychische Erkrankungen: Länderminister suchen Möglichkeiten für sensiblen Datenaustausch

Weimar – Die Gesundheitsministerinnen und -minister der Länder wollen eine „vertiefte und ressortübergreifende Kooperation zur Verbesserung des Informationsaustausches“ mit den Sicherheitsbehörden über gefährdete Menschen mit psychischen Erkrankungen unter bestimmten Bedingungen unterstützen. Das haben die Ressortchefinnen und -chefs bei der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) in Weimar einstimmig beschlossen.
Damit wollen sie auch ein Zeichen an die Länderkollegen der Innenresssorts senden, die ebenso an diesem Thema arbeiten und Zugriffe auf entsprechende Daten fordern. Es soll nach Aussage der Hamburger Gesundheitssenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) eine gemeinsame und bundeseinheitliche „Plattform“ geben, auf der Daten hinterlegt sind.
Hintergrund sind die inzwischen gehäuften Fälle von Taten psychisch kranker Menschen, zuletzt in Hamburg. Die Ländergesundheitsminister fordern außerdem, dass sie frühzeitig in die „bundespolitischen Diskussionen zur Erkennung entsprechender Risikopotentiale bei Personen mit psychischen Auffälligkeiten“ einbezogen werden. Diese Forderung geht an die Innenminister sowie das Bundesgesundheitsministerium (BMG).
Der nun einstimmig erfolgte Beschluss geht auf die Initiative von Hamburg zurück. Gesundheitssenatorin Schlotzhauer erklärte, dass der Fall in Hamburg „deutlich gemacht hat, dass wir Informationsrechte ausdehnen müssen, damit wir diese psychisch erkrankten Menschen nicht aus dem Blick verlieren“, so die Senatorin vor Journalisten in Weimar. Die Frau, die kürzlich im Hamburger Hauptbahnhof mit einem Messer Reisende verletzt hatte, war zuvor in sechs unterschiedlichen Bundesländern behandelt worden, hieß es weiter.
Durch die sogenannten „Drehtüreffekte“ würden Menschen immer wieder aus einer Behandlung zurück in eine Einrichtung gebracht, bei Entlassung entstünden mitunter „volatile Situationen“ ohne Wohnung und soziales Umfeld, so Schlotzhauer.
Hamburg plane daher den Landespsychiatrieplan so zu verändern, dass es eine entsprechende Eingliederungshilfe gibt, die verbindliche Kooperationen mit sozialen Trägern enthält. „Wir wollen weg von einem Interventionsgesetz hin zu einer Verantwortungsgemeinschaft.“ Auch der Datenaustausch werde derzeit in Hamburg verbessert, so dass Polizei und die Gesundheitsbehörden sich austauschen könnten. „Wir wollen die Menschen noch besser im Blick behalten, um Risiken zu minimieren.“
„Dazu gehört auch, dass die Behörden rechtssicher, ressortübergreifend und über Grenzen hinweg kooperieren. Das ist ein ganz dickes Brett“, so Schlotzhauer weiter.
Allerdings betonten die GMK-Minister deutlich, dass sie einer Stigmatisierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen entgegentreten wollen. „Unsere Debate hat gezeigt, dass wir noch nicht den Stein des Weisen gefunden haben, wie wir zum einen sensibel mit den Daten umgehen und eine verantwortbare Systematik haben, die nicht diskriminiert und gleichzeitig die Bevölkerung schützt“, sagte Karl-Josef Laumann (CDU), Gesundheitsminister in Nordrhein-Westfalen, in Weimar.
Er sprach von einer „Gratwanderung“. Kranken Menschen müsse geholfen werden. „Denn es ist nur ein sehr kleiner Teil, die überhaupt das Potenzial hat, wo man sich über die Frage der Sicherheit der Bevölkerung viele Gedanken machen muss.“ Trotz der Schwierigkeiten bei dem Thema forderte Laumann auch Tempo bei dem Vorhaben: „Es muss allen klar sein, dass wir das bis Weihnachten vorantreiben.“
Antrag mit vielen Forderungen der Länder
In dem von den Ländern einstimmig beschlossenen, schriftlichen fünfseitigen Antrag lesen sich einige Vorhaben allerdings deutlich schärfer, als sie von der Senatorin und dem Minister im Anschluss an die Länderberatungen vorgestellt wurden. Darin verlangt die GMK eine „Prüfung“, wie der „Austausch von Gesundheitsdaten und den Erkenntnissen der Gefahrenabwehrbehörden unter datenschutzrechtlichen Vorgaben“ stattfinden kann.
Dies solle in entsprechenden Gremien in Bezug „auf die rechtlichen Rahmenbedingungen sowie erforderliche Anpassungen und Verantwortlichkeiten zum Schutz der Bevölkerung, aber auch der psychisch erkrankten Menschen selbst“ erörtert werden, heißt es in dem Beschluss weiter.
Zwar betonten die Ministerinnen und Minister, dass „Menschen mit einer psychischen Erkrankung keinesfalls generell gefährlicher sind als Menschen ohne eine solche Erkrankung“. Bei einigen psychischen Störungen könne „allerdings das Risiko von gewalttätigem Verhalten im Zusammenspiel mit weiteren Einflussfaktoren erhört sein“. Zudem solle eine „erneute Stigmatisierung entgegengewirkt“ werden und auch dem vorgebeugt werden, „dass Betroffene weniger notwendige Hilfe suchen“.
Geregelt werden soll eine bessere Zusammenarbeit im Rahmen der Ländergesetze zu Hilfen und Schutzmaßnahmen für Menschen mit psychischen Erkrankungen (PsychK(H)G). Denn: „Polizeivollzugsdienste, die im Rahmen ihrer Polizeigesetze – im Gegensatz zu den Gesundheitsbehörden – über weitreichende Eingriffsrechte im Rahmen der Gefahrenabwehr verfügen, stehen grundsätzlich nicht in regelmäßigem/engen Kontakten mit psychisch kranken Menschen uns sind auch deshalb auf die Kooperation mit dem gesundheitlichen Versorgungssystem auf einer rechtssicheren Basis angewiesen.“
Die GMK-Ressortchefs betonen auch, dass eine wirksame Prävention eine „bedarfsgerechte und verlässliche Behandlung“ darstellten. Dafür benötige es entsprechende auch niedrigschwellige Behandlungsangebote, die je nach Krankheitsphase eingesetzt werden können. Ein Bundesprogramm müsse finanziell entsprechend nötige Strukturen finanzieren.
Grundsätzlich müsse „die Heterogenität der vorhandenen Strukturen in den Ländern berücksichtigt werden“. Um eine bessere Struktur für die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen aufzubauen, müsse der Gesetzgeber in das Sozialgesetzbuch V abrechenbare „Kooperations- und Koordinierungsleistungen der sektor- und rechtskreisübergreifenden Zusammenarbeit“ aufnehmen.
Auch Menschen, die keine ausreichenden Sprachkenntnisse haben, sollen eine bessere Sprachmittlung bekommen. Hier solle das BMG entsprechende „Finanzierungsoptionen und Umsetzungsstrategien prüfen“. Das gleiche gelte für die im Koalitionsvertrag angekündigte Unterstützung für psychosoziale Zentren für Geflüchtete. Hier müsse der Bund „angesichts der bereits angespannten Versorgungslage im Regelsystem der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung“ seiner finanziellen Förderung nachkommen.
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