Medizin

Reanimation: Kontinuierliche Thoraxkompression in Vergleichsstudie ohne Vorteile

  • Donnerstag, 12. November 2015
Uploaded: 12.11.2015 15:56:31 by mis
dpa

Seattle – Professionelle Rettungsdienste konnten Patienten mit nicht-traumatisch bedingtem Herz-Kreislauf-Stillstand in einer großen nordamerikanischen Vergleichs­studie etwas häufiger erfolgreich wiederbeleben, wenn sie die traditionelle Reanimation mit einem Wechsel von Brustkompressionen und Atemspenden durchführten, wie die jetzt auf der Jahrestagung der American Heart Association vorgestellten und im New England Journal of Medicine (2015; doi: 10.1056/NEJMoa1509139) publizierten Ergebnisse zeigen.

In der kardiovaskulären Reanimation wurden in den letzten Jahren lange für richtig gehaltene Regeln infrage gestellt. Tierexperimentelle Studien hatten gezeigt, dass die Unterbrechung der Brustkompressionen für Atemspenden die Überlebenschancen bei kardial bedingten Atemstillständen verschlechtern. Beobachtungsstudien hatten dies bestätigt. Die vor wenigen Tagen aktualisierte Leitlinie der American Heart Association hält initiale Zyklen mit kontinuierlichen Thoraxkompressionen mit passiver Sauerstoffgabe für eine Option, auch wenn die traditionelle Sequenz von 30 Thoraxkomporessionen und zwei Ventilationen („30:2“) Standard geblieben ist.

Das Resuscitation Outcomes Consortium hat die beiden Verfahren jetzt in einer großen Cluster-randomisierten Studie miteinander verglichen. Insgesamt 114 professionelle Rettungsdienste wurden in zwei Gruppen aufgeteilt. Die eine Gruppe wurde ange­wiesen, bei Personen mit vermutetem kardial bedingtem Herzstillstand die traditionelle „30:2“-Reanimation durchzuführen, die andere sollte kontinuierliche Thoraxkom­pressionen durchführen. Nach zwei Jahren wechselten die einzelnen Gruppen die Strategie.

Zwischen Juni 2011 und Mai 2015 wurden 23.711 Patienten reanimiert. Von den 12.653 Patienten, bei denen kontinuierliche Thoraxkompressionen durchgeführt wurden, konnten später 1.129 (9,0 Prozent) lebend aus der Klinik entlassen werden. In der Kontrollgruppe, in der die klassische „30:2“-Reanimation vorgenommen  wurde, waren es 1.072 von 11.035 Patienten (9,7 Prozent). Der Unterschied von 0,7 Prozentpunkten war nicht signifikant, doch die Hypothese, dass der Verzicht auf eine aktive Ventilation die Prognose verbessert, kann angesichts eines engen 95-Prozent-Konfidenzintervalls von minus 1,5 bis 0,1 als widerlegt betrachtet werden.

Auch in dem sekundären Endpunkt der Patienten, die mit einem guten neurologischen Ergebnis (0 bis 3 Punkten auf der Rankin-Skala) die Klinik verlassen konnten, waren die kontinuierlichen Brustkompressionen mit 7 Prozent der Patienten gegenüber der klassischen „30:2“-Reanimation mit 7,7 Prozent tendenziell unterlegen. In einer vor Studienbeginn festgelegten „Per-Protokoll“-Analyse, die nur Patienten mit strikter Einhaltung der Behandlungsalgorithmen berücksichtigt, ergab sich sogar eine signifikant schlechtere Überlebensrate nach kontinuierlichen Thoraxkompressionen (7,6 versus 9,6 Prozent).

Die klassische Reanimation scheint – zumindest wenn sie von professionellen Rettungs­diensten durchgeführt wird – der kontinuierlichen Brustkompression leicht überlegen zu sein. Die Ergebnisse stellen allerdings nicht die Empfehlung zur Laien-Reanimation infrage, bei der die kontinuierlichen Brustkompressionen schon deshalb überlegen sind, weil sich die meisten Laien die Atemspende nicht zutrauen und deshalb gar nicht erst mit der Reanimation beginnen.

rme

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