Reformdiskussion um Heilpraktikerberuf geht weiter

Münster/Düsseldorf/Berlin – Muss der Beruf des Heilpraktikers in Deutschland reformiert werden? Eine Antwort hatte gestern eine Arbeitsgruppe aus Münster vorgelegt und damit eine erneute Debatte angestoßen.
Die Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL) hat heute ihre bereits früher geäußerte Kritik an diesem Berufsstand erneuert. Heilpraktiker seien nicht die Lösung für bestehende Versorgungsprobleme und schon gar nicht ein Arzt-Ersatz, so Kammerpräsident Theodor Windhorst. „Im Gegenteil: Sie können eine Gefahr für die Patientensicherheit sein“, sagte er.
Windhorst fordert deshalb eine grundlegende Reform des Heilpraktikerwesens. Er wies zudem darauf hin, dass die „nicht kleine Berufsgruppe lediglich Heilpraktiken anwendet“, aber keine ärztliche Heilkunde. Da müsse man auch im Sprachgebrauch sauber trennen. „Heilpraktiker können keine Diagnosen stellen oder Therapien verordnen. Sie arbeiten lediglich mit Vermutungen“, erklärte der Kammerpräsident. Sie dürften auch nicht „anbehandeln“ oder etwa Injektionen setzen. Tätigkeiten im Sinne des Infektionsschutzgesetzes, beim Schwangerenschutz oder bei einer Todesfeststellung seien ihnen ebenfalls nicht möglich.
„Heilpraktiker können ohne umfassende Ausbildung mit dem Patienten machen, was sie wollen“, kritisierte Windhorst. Es sei das zentrale Merkmal des Heilpraktikerunwesens, außerhalb geltender medizinischer Standards, Leitlinien und allgemein anerkannter Wirksamkeitsmechanismen tätig werden zu dürfen. Wer Heilpraktiker als Ersatz für ärztliche Versorgung von körperlichen oder seelischen Erkrankungen verstehe, gehe ein hohes medizinisches Risiko mit Gefährdungspotenzial ein, so der Kammerpräsident. „Um kranke Menschen vor Scharlatanerie zu schützen, muss der Gesetzgeber handeln“, forderte Windhorst. Das Ziel müsse kein Berufsverbot sein, aber wohl Berufseinschränkungen und -regulierung.
Nach Ansicht des Präsidenten der Ärztekammer Nordrhein ist die gesundheitliche Versorgung in Deutschland durch die verschiedenen Gesundheitsfachberufe gut gewährleistet. „Ich sehe keinen Bedarf für einen weiteren Ausbildungsberuf zum Heilpraktiker, der durch eine bundesweit einheitliche Fachausbildung ins Leben gerufen würde“, sagte Rudolf Henke. Das gelte ebenso für die Idee einer akademischen Ausbildung zum Heilpraktiker. Da könne man ja auch gleich Arzt werden.
„Was wir brauchen, sind gesetzliche Rahmenbedingungen, die den Schutz von Patienten in den Mittelpunkt stellen und sowohl invasive Maßnahmen als auch die Behandlung von Krebserkrankungen vom derzeit zulässigen Tätigkeitsumfang von Heilpraktikern ausschließen“, so Henke.
Heilpraktikerverbände in Deutschland haben die Kritik an ihrem Berufsstand zurückgewiesen. Der Bund Deutscher Heilpraktiker spricht in einer Erklärung von einer undifferenzierten Generalkritik. „Wir wehren uns gegen diese einseitige Meinungsäußerung sogenannter Experten. Wir lassen uns unser Vertrauensverhältnis zu Patienten nicht zerstören“, sagte der Präsident des Heilpraktiker-Bundes Ulrich Sümper laut Mitteilung. Zuvor hatte bereits der Fachverband Deutscher Heilpraktiker Kritik am „Münsteraner Memorandum“ geübt. Präsident Christian Wilms vermutet, dass es darum gehe, unliebsame Konkurrenz loszuwerden.
Der Deutsche Dachverband für Psychotherapie (DVP) sieht in der derzeitigen Diskussion einen wichtigen Anstoß für eine Debatte um mehr Versorgungsqualität. Der Verband vertritt psychotherapeutisch Tätige, die überwiegend über eine Ausbildung nach dem „Europäischen Zertifikat für Psychotherapie“ verfügen und auf der gesetzlichen Grundlage des Heilpraktikergesetzes tätig sind.
„Wir fordern für große und kleine Heilpraktiker eine Prüfung zur Feststellung der in der Praxis erforderlichen Qualifikation“, so der DVP-Vorsitzende Karl Nielsen. Als erster Schritt könne in den neuen Richtlinien des Bundesgesundheitsministeriums zur Heilpraktikerzulassung der Nachweis einer qualifizierten Ausbildung eingeführt werden.
Nach der Bundestagswahl, so Nielsen, böte sich die Chance, das Thema der Qualifikation von Heilpraktikern grundsätzlich zu regeln. Nielsen: „Aufgrund der aktuellen Veränderungen des Heilpraktikergesetzes ergibt sich ethisch, fachlich und logisch zwingend die Notwendigkeit einer qualifizierten psychotherapeutischen Ausbildung für einen Heilpraktiker für Psychotherapie."
Der DVP begrüße daher den Vorschlag einer „Kompetenzlösung“ mit einer Einführung von staatlich geprüften Fach-Heilpraktikern. Für den Bereich der psychotherapeutisch tätigen Heilpraktiker gebe es die Chance, so Nielsen, entsprechende Regelungen in eine Reform der Psychotherapeutenausbildung aufzunehmen. Der DVP hält es daher für sinnvoll, neben dem Ärztlichen und dem Psychologischen Psychotherapeuten einen vergleichbar qualifizierten Heilpraktischen Psychotherapeuten einzuführen. Nielsen: „Diese heilpraktischen Psychotherapeuten kennen sich auch in weiteren Therapieformen aus und bieten dem Klienten dadurch eine Alternative zur richtlinienbezogenen Psychotherapie.“
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