Medizin

Remdesivir: Wirkt gescheitertes Ebolamittel gegen 2019-nCoV?

  • Freitag, 7. Februar 2020
/velimir, stock.adobe.com
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Seattle – Gute Erfahrungen mit dem Virustatikum Remdesivir, über die Mediziner kürzlich beim ersten US-Patienten im New England Journal of Medicine (2020; doi: 10.1056/NEJMoa2001191) berichteten, haben chinesische Mediziner zu zwei klinischen Studien veranlasst, nachdem in-vitro-Experimente in Cell Research (2020; doi: 10.1038/s41422-020-0282-0) auf eine Wirksamkeit hindeuten.

Die rasche Ausbreitung von 2019-nCoV in China hat die Suche nach einem effektiven Wirkstoff intensiviert. Am Institut für Virologie in Wuhan, dem Epizentrum der Epidemie, wurden 7 Wirkstoffe auf ihre Wirkung hin untersucht.

Dies waren das ältere Virustatikum Ribavirin, das früher bei der Hepatitis C eingesetzt wurde, das Herpesmittel Penciclovir, das Antiparasitikum Nitazoxanid, das Antikoagulans Nafamostat, das Malariamittel Chloroquin und die beiden Breitspektrum-Virustatika Remdesivir und Favipiravir. Für alle Mittel war bekannt, dass sie eine potenzielle Wirkung bei RNA-Viren haben, zu denen auch das neuartige Coronavirus 2019-nCoV gehört.

Da die Virologen in Wuhan als Erste 2019-nCoV isoliert und in Zelllinien kultiviert hatten, konnten sie die Wirksamkeit der 7 Substanzen im Labor untersuchen. Das Team um Zhihong Hu versetze die Zellkulturen mit den einzelnen Substanzen und bestimmte, ob sie die Viruskonzentration im Überstand senkten und die Zerstörung der Zellen verhinderten. Endpunkte waren die mittlere effektive Konzentration (EC50) und die halbmaximale zytotoxische Konzentration (CC50).

Ribavirin, Penciclovir und Favipiravir hatten die höchsten EC50- und CC50-Werte, was gegen eine Wirksamkeit spricht. Nafamostat und Nitazoxanid erzielten eine mittlere Wirkung, die laut Hu weiter untersucht werden sollte.

Am Besten schnitten Remdesivir (EC50 0,77 µM; CC50 unter 100 µM) und Chloroquin (EC50 1,13 µM; CC50 unter 100 µM) ab. Beide Mittel könnten sich für den klinischen Einsatz eignen und da sie bereits in klinischen Studien eingesetzt wurden (Remdesivir) beziehungsweise lange zugelassen sind (Chloroquin), steht klinischen Studien nichts mehr im Weg.

Dass die chinesischen Behörden sich für Remdesivir entschieden, dürfte sicher daran gelegen haben, dass der Wirkungsmechanismus bekannt ist. Remdesivir hemmt die RNA-Polymerase, die RNA-Viren wie 2019-nCoV benötigen, um sich innerhalb der infizierten Zellen vermehren zu können.

Das Mittel wurde ursprünglich zur Behandlung des Ebola-Fiebers und dem verwandten Marburg-Fieber entwickelt. In einer randomisierten Studie, die im letzten Jahr im Kongo durchgeführt worden war, enttäuschte Remdesivir jedoch. Mehr als die Hälfte der Erkrank­ten starb. Die 3 monoklonalen Antikörper MAb114, ZMapp und REGN-EB3 erzielten eine bessere Wirkung.

Dies schließt natürlich eine Wirksamkeit bei 2019-nCoV nicht aus, und frühere Studien haben gezeigt, dass Remdesivir beim verwandten MERS-CoV wirksam sein könnte. Die kürzlich in Nature Communications (2020; 11: 222) veröffentlichten tierexperimentellen Ergebnisse bescheinigten Remdesivir eine bessere Wirkung als eine Kombination aus Lopinavir/Ritonavir, die ebenfalls als mögliche Mittel gegen 2019-nCoV im Gespräch sind.

Intensivmediziner einer Klinik im Bezirk Snohomish bei Seattle entschieden sich deshalb für einen Heilversuch mit Remdesivir, als sich die Situation des (vermutlich) ersten in den USA erkrankten Patienten zusehends verschlechterte. Wie Michelle Holshue und Mitar­beiter berichteten, erhielt der Patient am Abend des 7. Tages eine Infusion mit Remde­sivir. Schon am nächsten Tag kam es zu einer Besserung und die Sauerstoffzufuhr konnte beendet werden.

Ein Einzelfall ist sicherlich kein Beweis für eine Wirksamkeit. Der Bericht im New England Journal of Medicine mag jedoch dazu beigetragen haben, dass chinesische Mediziner sich für Remdesivir als Wirkstoff in den ersten beiden randomisierten klinischen Studien entschieden, die dieser Tage am China-Japan Friendship Hospital in Beijing begannen.

Ein Team um den Pulmologen Cao Bin will in den nächsten Wochen 308 Patienten mit milder oder mittelschwerer und 452 Patienten mit schwerer Pneumonie durch eine bestätigte 2019-nCoV-Infektion auf eine Behandlung mit Remdesivir oder Placebo randomisieren. Die Studie sollen Anfang April abgeschlossen sein.

rme

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