Reserveantibiotika nur für Menschen einsetzen

Berlin – Die Bundesärztekammer (BÄK) hat sich dafür ausgesprochen, lebensrettende Reserveantibiotika ausschließlich an Menschen abzugeben und diese nicht in der Tierhaltung zu verwenden. „Jedes Jahr sterben europaweit rund 33.000 Menschen an Infektionen, gegen die keine Antibiotika mehr helfen. Ein Grund für zunehmende Resistenzen ist der Einsatz von Antibiotika in der Mast- und Geflügelhaltung“, sagte der BÄK-Präsident Klaus Reinhardt heute in Berlin.
Die Ärzteschaft unterstütze deshalb grundsätzlich die Pläne der Europäischen Union (EU), den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung mit der Tierarzneimittelverordnung zu begrenzen. Diese Verordnung soll ab Ende Januar 2022 in allen Mitgliedstaaten verbindlich gelten und sicherstellen, dass auch künftig ausreichend Reserveantibiotika für die Humanmedizin zur Verfügung stehen.
„Die Pläne für die konkrete Umsetzung der Verordnung bieten aber zu viele Schlupflöcher und sind nicht geeignet, die menschliche Gesundheit vor resistenten Erregern zu schützen“, kritisierte Reinhardt. Die Europäische Kommission habe „völlig unzureichende Kriterien“ für Reserveantibiotika erarbeitet, die ausschließlich für die Behandlung von Menschen vorgesehen werden sollen, so der Ärztepräsident.
Die BÄK fordert deshalb in einem Schreiben an die EU-Abgeordneten eine Überarbeitung der vorgelegten Kriterien. In der bisherigen Form sei eine tatsächliche Rückstellung des Antibiotikums nicht gewährleistet. Darüber hinaus sehen die Kriterien laut der BÄK vor, dass ein zurückzustellendes Antibiotikum nicht essenziell für die Tiergesundheit sein darf.
Die BÄK kritisiert, dass die von der Kommission vorgeschlagenen Kriterien kaum etwas an der derzeitigen Praxis ändern würden. „Es geht hier um Menschenleben. Es steht zu befürchten, dass es bald keine wirksamen Reserveantibiotika für die Behandlung von schweren Erkrankungen bei Menschen mehr geben wird“, warnte Reinhardt.
Die BÄK fordert dafür Maßnahmen, die den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung entbehrlich machen oder zumindest deutlich reduzieren. Als Beispiel nennt sie eine Begrenzung der Zahl der Tiere pro Hektar, was eine geringere Infektionsgefahr und wiederum einen reduzierten Einsatz von Antibiotika mit sich bringen würde.
Nach Angaben des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit wurden im Jahr 2019 rund 670 Tonnen Antibiotika in der Tiermedizin in Deutschland abgegeben, europaweit waren dies im Jahr 2018 rund 6.500 Tonnen. Knapp 90 Prozent davon diente der Gruppenbehandlung von Tieren, insbesondere über die Nahrung, nur zwölf Prozent der individuellen Behandlung.
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