Rettungsdienst: Notärzte im Nebenjob sozialversicherungspflichtig

Karlsruhe – Ärzte, die im Nebenjob immer wieder als Notärzte im Rettungsdienst arbeiten, sind in der Regel als sozialversicherungspflichtig beschäftigt einzustufen. Das hat der 12. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) heute in drei Fällen entschieden (Az.: B 12 KR 29/19 R, B 12 R 9/20 R, B 12 R 10/20 R).
Ausschlaggebend für das Urteil ist, dass die Ärztinnen und Ärzte während ihrer Tätigkeit als Notärzte in den öffentlichen Rettungsdienst eingegliedert waren, erläuterte der 12. Senat des BSG. Sie hätten sich damit an gewisse Weisungen halten müssen.
So seien sie etwa verpflichtet gewesen, sich während des Dienstes in der Nähe des Notarztfahrzeuges aufzuhalten, um nach einer Einsatzalarmierung durch die Leitstelle innerhalb einer bestimmten Zeit ausrücken zu können. „Dabei ist unerheblich, dass dies durch öffentlich-rechtliche Vorschriften vorgegeben ist“, erklärt das BSG.
Das Gericht führt weiter aus, dass die Notärzte auch überwiegend fremdes Personal und Rettungsmittel genutzt hätten. „Dass es sich dabei in einem Fall nicht um Rettungsmittel des betroffenen Landkreises als Arbeitgeber, sondern der Stadt handelte, rechtfertigt keine andere Entscheidung. Denn der Arzt setzte jedenfalls keine eigenen Mittel in einem wesentlichen Umfang ein“, betonte das oberste deutsche Sozialgericht.
Anhaltspunkte für eine selbstständige Tätigkeit der Ärzte fallen laut BSG „nicht entscheidend ins Gewicht“. Dass die Beteiligten davon ausgegangen seien, die Tätigkeit erfolge freiberuflich beziehungsweise selbstständig, sei „angesichts der Vereinbarungen und der tatsächlichen Durchführung der Tätigkeit irrelevant“.
Zudem hätten die Ärzte dem BSG zufolge nur durch zusätzliche Dienste unternehmerisch tätig werden und ihren Verdienst vergrößern können. „Während der einzelnen Dienste – und nur darauf kommt es an – hatten sie insbesondere aufgrund ihrer Eingliederung in eine fremde Organisation keine Möglichkeit, ihren eigenen Gewinn durch unternehmerisches Handeln zu steigern“, schreibt das BSG in einer Mitteilung. Die Frage, inwieweit die Ärzte nun Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen müssen, war nicht Teil des Verfahrens.
Regeln 2017 geändert
Bernd Halbe, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht, wies darauf hin, dass das das BSG sich mit Fällen befasst habe, die alle aus der Zeit vor dem Jahr 2017 stammten. „Ausdrücklich offengelassen hat das BSG, ob sich eine andere Bewertung aufgrund des im Jahr 2017 neu eingeführten Paragrafen 23c Abs. 1 S. 1 SGB IV ergibt“, sagte Halbe dem Deutschen Ärzteblatt.
Nach dieser zum 11. April 2017 in Kraft getretenen Ausnahmevorschrift seien Einnahmen aus einer Tätigkeit als Notarzt dann nicht sozialversicherungspflichtig, wenn diese Tätigkeit erstens neben einer Beschäftigung von mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder zweitens neben einer Tätigkeit als Vertragsarzt oder Arzt in freier Niederlassung ausgeübt werde.
„Aufgrund dieser neu eingeführten Ausnahmevorschrift besteht eine Sozialversicherungspflicht für Nebentätigkeiten als Notarzt nach dem 11. April 2017 nicht mehr“, betonte Halbe zur Einordnung des Urteils.
Hintergrund der BSG-Entscheidung waren drei Fälle. Die beteiligten Ärztinnen und Ärzte hatten ab 2014 im Nebenjob immer wieder Dienste als Notärztin oder Notarzt ausgeführt. Grundlage waren Vereinbarungen zwischen ihnen und den Trägern des öffentlichen Rettungsdienstes. Dabei gingen die Beteiligten davon aus, dass die Tätigkeit freiberuflich beziehungsweise selbstständig erfolgen sollte.
Während des Dienstes arbeiteten die Ärzte mit Personal der Kläger beziehungsweise Kommunen zusammen und nutzten deren Mittel, insbesondere Notarztfahrzeuge. Die Deutsche Rentenversicherung Bund hatte in allen Fällen eine Versicherungspflicht für die Notärzte gesehen.
In den Vorinstanzen hatte nur ein Kläger Erfolg gehabt (B 12 KR 29/19 R). Das zuständige Landessozialgericht hatte argumentiert, die engmaschige Eingliederung des Notarztes sei den Vorschriften des öffentlichen Rettungsdienstes geschuldet. Zudem habe er nicht das Personal und die Mittel des klagenden Landkreises als Träger des Rettungsdienstes, sondern der betroffenen Stadt genutzt.
In den beiden anderen Fällen hat das zuständige Landessozialgericht im Grundsatz eine Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung mit der Begründung bejaht, die Ärzte seien in die Strukturen des Trägers des Rettungsdienstes eingegliedert gewesen und hätten dessen Personal sowie Mittel genutzt.
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