5 Fragen an...

Ärzte ohne Grenzen: In Somalia werden dringend inter­nationale Helfer benötigt

  • Freitag, 29. Juli 2011

Berlin –  Die Menschen in Ostafrika leiden zurzeit an einer der schwersten Hungersnöte seit Jahren. Am schlimmsten betroffen ist Somalia. Das Deutsche Ärzteblatt sprach mit dem Vorstandsvorsitzenden von „Ärzte ohne Grenzen“, Tankred Stöbe, über die Ursachen der Katastrophe und weshalb es für internationale Hilfsorganisationen so schwer ist, den Menschen in dem ostafrikanischen Land zu helfen. 

Fünf Fragen an Tankred Stöbe, Vorstandsvorsitzender von „Ärzte ohne Grenzen“

Tankred-Stöbe /dpa
Tankred Stöbe /dpa

Deutsches Ärzteblatt: Warum ist vor allem Somalia von der Hungersnot betroffen?

Stöbe: In Somalia herrscht seit 20 Jahren Bürgerkrieg. Somalia ist am Schwersten von der Krise betroffen, da aufgrund der Dürre, die durch zwei ausgebliebene Regenperioden verursacht wurde, das Vieh stirbt und die weltweiten Lebensmittelpreise sich mehr als verdoppelt haben. Die arme Bevölkerung nicht mehr in der Lage, ihre Familien zu ernähren. Es ist also nicht nur zynisch, sondern auch falsch, in dieser Situation zu sagen, die Somalier seien an der Situation selbst schuld. 

Deutsches Ärzteblatt: Wie ist die Situation vor Ort?  

Stöbe: Vor allem Mütter und Kleinkinder flüchten nun in die  Nachbarländer Kenia und Äthiopien, um dort Hilfe zu finden. Diese Flüchtlingslager sind bereits überlaufen, die Registrierung der Flüchtlinge durch die UNO geht viel zu  langsam voran. Eine Registrierung ist aber die Voraussetzung dafür, um Lebensmittel zu erhalten. Viele Kleinkinder sterben bereits  auf der beschwerlichen Flucht auch weil sie oft zusätzlich an Durchfall und Malaria erkrankt sind. 

Deutsches Ärzteblatt: Was tut „Ärzte ohne Grenzen“?

Stöbe: Wir unterstützen derzeit sieben Kliniken in Somalia, unsere 1.400 somalischen Kollegen behandeln unter anderem mehr als 3.400 Kinder in den Ernährungsprogrammen. Weitere 580 Kinder sind so schwer mangelernährt, dass wir sie über Sonden und mit Spezialnahrung füttern müssen. Diese Krankhäuser sind bereits überfüllt.

Dringend werden internationale Helfer in Somalia zur Aufstockung der Hilfsmaßnahmen benötigt, dies lässt aber die Sicherheitslage im Moment nicht zu. „Ärzte ohne Grenzen“ hat im Jahr 2008 internationale Helfer aus dem Land abgezogen, weil Mitarbeiter bei gezielten Angriffen getötet wurden.

Ein Team von 100 internationalen Mitarbeitern koordiniert die Hilfe von Nairobi aus und stellt durch Blitzbesuche in die somalischen Kliniken sicher, dass die medizinische Qualität gewährleistet und die Spendengelder für die Bedürftigsten eingesetzt werden. Weitere Mitarbeiter von „Ärzte ohne Grenzen“ arbeiten  in den Nachbarländern Kenia und Äthiopien.

Deutsches Ärzteblatt: Was müsste sich in der Region grundlegend ändern, damit eine Hungersnot nicht diese Ausmaße annimmt?

Stöbe:  Der Bürgerkrieg muss beendet werden, als Voraussetzung, dass sich Somalia stabilisieren kann. Das Land bräuchte rechtsstaatliche Strukturen und müsste Sicherheit für seine Bürger und auch für internationale Helfer gewährleisten. Doch ohne internationalen politischen Druck wird sich dort nichts tun. Leider macht die internationale Gemeinschaft aber weiter einen Bogen um Somalia. 

Deutsches Ärzteblatt: In Europa werden dreistellige Milliardenbeträge für überschuldete Länder bereitgestellt, während in Afrika Zehntausende Menschen verhungern. Wird das Geld falsch verteilt?

Stöbe: Diese beiden Probleme möchte ich nicht miteinander vergleichen. Klar ist aber, dass wir jetzt etwas für die notleidenden Menschen in Somalia tun müssen. Dafür müssen Mittel zur Verfügung gestellt werden, um akute Soforthilfe leisten zu können. Längerfristig müsste sich aber die internationale Politik stärker dafür einsetzen, dass der Bürgerkrieg im Land beendet wird. 

Interessierte potentielle Mitarbeiter können sich auf der Homepage über eine Mitarbeit bei Ärzte ohne Grenzen informieren: www.aerzte-ohne-grenzen.de

fos

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