5 Fragen an...

„Ärztenetze können dabei helfen, Ausgaben im Gesundheitssystem einzusparen“

  • Freitag, 11. November 2011

Mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz will die Bundesregierung Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) ermöglichen, besonders förderungswürdigen Ärztenetzen ein eigenes Honorarvolumen als Teil der Gesamtvergütung zuzuteilen. Das Geld könnten die Netze dann eigenständig an ihre Mitglieder verteilen. 

Die frühere Geschäftsführerin des Ärztenetzes „Medizin und Mehr“ im westfälischen Bünde, Claudia Schrewe, hat daraufhin eine Kampagne gestartet, um diesen Vorstoß der Koalition zu unterstützen. Die 44-jährige gelernte Krankenschwester und Diplom Kauffrau erläutert im Interview mit dem „Deutschen Ärzteblatt“, wie die Kampagne verlief, und erklärt, weshalb Ärztenetze für das deutsche Gesundheitswesen so wichtig sind. 

Claudia Schrewe
Claudia Schrewe

Fünf Fragen an Claudia Schrewe:

DÄ: Sie haben eine Kampagne ins Leben gerufen, um eine Aufwertung von Ärztenetzen im Versorgungsstrukturgesetz zu unterstützen. Worum ging es dabei genau?

Schrewe: Ich habe Ärztenetze angeschrieben mit der Bitte, den Plan der Bundesregierung zu unterstützen. Oft melden sich die einzelnen Akteure im Gesundheitswesen ja nur, wenn ihnen etwas nicht passt. Ich wollte einmal ein positives Signal setzen und zeigen, dass dieser Plan der Regierung die Zustimmung der ärztlichen Basis findet. 

DÄ: Wie waren die Reaktionen?

Schrewe: Sehr gut. Etwa 80 Ärztenetze mit insgesamt über 8.000 Mitgliedern haben die Kampagne unterstützt, auch Netze, die ich gar nicht in meinem Verteiler hatte. Das heißt: Die Vernetzung zwischen den Ärztenetzen funktioniert. Ich hatte in diesem Rahmen auch nach Erfolgen in den Netzen gefragt, und mir wurde von vielen Verträgen zur Integrierten Versorgung und einer deutlich besseren Kommunikation vor Ort berichtet. Das finde ich sehr ermutigend. 

DÄ: Was machen Sie nun mit den Ergebnissen der Kampagne?

Schrewe: Ich lasse sie den gesundheitspolitischen Sprechern der großen Parteien zukommen. Ich möchte der Politik eine Rückmeldung geben, dass ein eigenes Honorarvolumen für  Ärztenetze sehr sinnvoll wäre. Denn viele Ärztenetze wollen sich professionalisieren. Doch den teilnehmenden Ärzten fehlen dafür Zeit und Geld. Denn wenn man ein erfolgreiches Ärztenetz organisieren möchte, kann man das nicht nach der Arbeit oder am Wochenende tun. Dafür braucht man Netzmanager, die sich nur dieser Aufgabe widmen. Die muss man aber bezahlen. Wenn Netze zum Beispiel dafür nun Geld erhielten, könnten sie ihre Arbeit intensivieren, mit positiven Effekten für das ganze Gesundheitssystem. 

DÄ: Warum sollten sich Ärzte in Netzen zusammentun? Was sind die Vorteile für den einzelnen Arzt?

Schrewe: Ein Vorteil ist zum Beispiel die Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Alltag, und zwar dadurch, dass man die Kollegen in der Region kennenlernt. Dadurch kooperiert man einfach besser. Im Ärztenetz „Medizin und Mehr“ in Bünde hatte jeder der teilnehmenden Kollegen eine Telefonnummer, die nur den anderen Netzärzten bekannt war. Im Notfall konnte dann jeder die Kollegen erreichen, wenn er zum Beispiel kurzfristig eine Kollegenmeinung brauchte.

Ein Beispiel: Ein Hausarzt in Bünde hatte am Freitagabend um 18:30 Uhr einen Patienten mit Verdacht auf Thrombose in seiner Praxis. Er rief einen phlebologischen Kollegen an, der seinen Heimweg unterbrach und in die Praxis kam, um sich den Patienten anzuschauen. Schließlich konnte er Entwarnung geben und der Patient durfte wieder nach Hause gehen. Ansonsten hätte der Hausarzt ihn wohl in ein Krankenhaus eingewiesen – mit den entsprechenden Kosten. Insofern können Netze auch ganz konkret helfen, Ausgaben einzusparen. 

Darüber hinaus können Ärzte in Netzen eine Marktmacht bilden und sich zum Beispiel wehren, wenn sie den Eindruck haben, Krankenhäuser oder Medizinische Versorgungszentren in der Regionen drängten zu sehr in den ambulanten Sektor hinein. 

Auch zusätzliche Honorare können durch Netzverträge generiert werden, wenn auch nicht in dem Maße, wie es sich mancher erhofft hat. Das Problem dabei ist zurzeit, dass viele Krankenkassen aus Angst vor Zusatzbeiträgen nicht mehr langfristig investieren, auch wenn eine Investition medizinisch absolut sinnvoll wäre wie bei Kursen für übergewichtige Kinder. Doch der return of investment kommt vielen Krankenkassen dann zu spät. 

DÄ: Warum sind Ärztenetze gerade heute so wichtig?

Schrewe: Weil sie die Versorgungsrealität kennen und beeinflussen können. Nur Ärzte aus der Region wissen doch, was vor Ort schief läuft und wie man es beheben kann. Wenn sich Ärzte und Krankenkassen in einer Region an einen Tisch setzen, können dabei sehr kreative Lösungen entstehen, die dabei helfen, die Probleme in den Regionen zu beheben.

Diese Lösungen passen aber oft nur dort und können deshalb nicht zentral verordnet werden. Leider gibt es bei vielen Kassenvertretern, aber auch bei einigen Ärzten, noch immer die alte Misstrauenshaltung gegenüber der anderen Seite. Ich hoffe, dass dieses Misstrauen in Zukunft weiter abgebaut werden kann. Nur dann können Ärztenetze nämlich noch effektiver arbeiten.

fos

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