5 Fragen an...

„Der Reformdruck, der besteht, darf nicht durch zusätzliches Geld abgeschwächt werden“

  • Freitag, 13. Juni 2025

Berlin – Zunächst stabilisieren, dann modernisieren und die Versorgung verbessern. In diesem Dreiklang müssten Reformen im Gesundheitswesen ablaufen, sagt der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Christos Pantazis im Interview mit dem Deutschen Ärzteblatt.

Während des Jonglierens dieses Dreiklangs, spüre die Regierungskoalition die Verantwortung, gute Gesundheitspolitik zu machen, auch um rechten Strömungen etwas entgegenzusetzen, so Pantazis weiter. Was er in den kommenden vier Jahren zudem konkret erreichen will, verdeutlichte er im Gespräch.

Christos Pantazis ist Arzt und hat viele Jahre als Neurochirurg am Städtischen Klinikum Braunschweig gearbeitet, bevor er in die Politik gewechselt ist. Der 49-Jährige war zunächst Landtagsabgeordneter in Hannover und ist seit 2021 Mitglied des Bundestages. Pantazis folgt in der Rolle als gesundheitspolitischer Sprecher der SPD auf Heike Baehrens (SPD), die für die Wahl 2025 nicht mehr angetreten ist.

Christos Pantazis, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion /Photothek
Christos Pantazis, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion /Photothek

5 Fragen an Christos Pantazis, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion

Wie haben Sie sich in der neuen Position als gesundheitspolitischer Sprecher der SPD eingerichtet?
Ich war schon vorher stellvertretender gesundheitspolitischer Sprecher, deshalb ist das für mich nichts Neues. Die Berichterstattung zu GKV-Finanzen und Krankenhaus werde ich weiterhin machen und damit auch die Weiterentwicklung der Krankenhausreform betreuen.

Wir haben zudem neue – sehr engagierte - Köpfe, auch wenn wir nicht mehr zwölf, sondern nur noch sieben in der Arbeitsgruppe Gesundheit sind. Mit Lina Seitzl und Matthias Mieves habe ich zwei Stellvertretungen, die für die Thematik brennen und sehr gut aufgestellt sind. Meine Aufgabe besteht darin, die Arbeit der letzten vier Jahre fortzusetzen und weiterzuentwickeln.

Was ist das erste gesundheitspolitische Vorhaben, dass das Bundesgesundheitsministerium mit Unterstützung aus dem Parlament umsetzen muss?
Als erstes stehen die Haushaltsberatungen an, um die gesetzliche Krankenversicherung zu stabilisieren. 800 Millionen Euro sind schon bereitgestellt worden, jetzt stehen noch weitere Summen zur Diskussion. Klar ist aber auch: Bundesfinanzminister Lars Klingbeil hat verdeutlicht, dass diese Stabilisierung eine einmalige Sache ist. Der Reformdruck, der besteht, darf nicht durch zusätzliches Geld abgeschwächt werden.

Unsere Aufgabe ist es, grundsätzlich für das Thema Gesundheit und Pflege zu werben. Ich höre häufig, dass Migration die Mutter aller Probleme sei. Im Gesundheitswesen ist Migration sogar ein Teil der Lösung. Das Thema Gesundheit hingegen gerät in den Hintergrund und ich fürchte, dass es für die extremen Rechten künftig ein erhebliches Verhetzungspotenzial mit sich bringen wird.

Man gewinnt keine Wahlen durch gute Gesundheits- und Pflegepolitik. Man kann aber Wahlen durch schlechte Gesundheits- und Pflegepolitik verlieren. Deshalb appelliere ich an alle, dem Thema mehr Gewicht einzuräumen.

Wenn jemand den Eindruck hat, dass die Solidargemeinschaft nicht mehr für ihn aufkommt, dann verliert er das Vertrauen in das Gemeinwesen. Und das hat auch erosive Effekte für die Demokratie. Auf diese Vertrauensbasis sind wir aber als Demokratinnen und Demokraten sehr angewiesen.

Deswegen braucht es neben der kurzfristigen Stabilisierung auch entschieden angegangene Reformen, die beispielsweise jetzt schon fertig in der Schublade sind. Neben der Weiterentwicklung der Krankenhausreform müssen wir die Notfallreform und das Pflegekompetenzgesetz angehen. Wenn ich von Weiterentwicklung bei der Krankenhausreform spreche, dann meine ich nicht verwässern.

Bei der Krankenhausreform besteht sicherlich noch Nachsteuerungsbedarf, so werden wir beispielsweise an die Abstandsregelung von zwei Kilometern ran müssen, die teilweise zu Verwerfungen führt. Und wir wollen die hälftige Finanzierung des Bundes am Transformationsfonds aus Bundesmitteln ermöglichen.

Wichtig ist aber: Es braucht bundeseinheitliche Standards, dennoch müssen wir regionale Aspekte berücksichtigen, etwa bei der Frage der Sicherstellung. Aber wenn wir jährlich mehr als 100 Milliarden Euro für den stationären Bereich ausgeben und damit international an der Spitze liegen, dürfen wir nicht weiterhin akzeptieren bei der Qualität ins Mittelfeld abrutschen. Qualitätsverbesserung ist daher unsere Leitlinie, das sind wir den Patientinnen und Patienten schlichtweg schuldig.

Welche eigenen Schwerpunkte wollen Sie in den nächsten Jahren setzen?
Wir sind der festen Überzeugung, dass wir den Weg der Digitalisierung und Entbürokratisierung weiter voranschreiten müssen. Nicht nur, um die Patientinnen und Patienten besser versorgen zu können, sondern auch für die Beschäftigten, die teilweise massiv darunter leiden.

Nach Jahrzehnten haben wir in der Digitalisierung mit dem E-Rezept und dem Ausrollen der elektronischen Patientenakte (ePA) endlich ein paar grundsätzlich richtige Schritte gemacht, selbst wenn es hierbei die ein oder andere Kinderkrankheit noch gibt.

Zudem müssen wir die Ambulantisierung weiter vorantreiben und die Hybrid-DRG vollumfänglich operationalisieren und nicht nur so umsetzen, wie wir es im Rahmen der Krankenhausreform bislang vorgesehen haben. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir mit der Digitalisierung, der forcierten Ambulantisierung sowie der Patientensteuerung mit dem geplanten Primärarztsystem viel an Verbesserungen erreichen können.

Mir ist wichtig, dass der klassische Dreiklang der Stabilisierung, der Modernisierung, aber auch der spürbaren Verbesserung für jeden Einzelnen im Gesundheitssystem, weiterhin verfolgt wird. 

Wo liegen aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen im Gesundheitswesen?
Das sind die Rahmenbedingungen, die uns gesetzt werden. Wir haben eine immer ältere werdende Gesellschaft, und das stellt uns vor große Herausforderungen. Deshalb müssen wir ein System aufstellen, das hocheffektiv ist und Effizienzreserven heben kann, die notwendig sind.

Gesundheit und Pflege ist und bleibt eine Dauerbaustelle. Politik auf diesem hochkomplexen Feld auf Bundesebene gestalten zu wollen, kann sehr herausfordernd und kräftezehrend sein. Das ist auch der Grund, warum ich die Landespolitik verlassen habe und in die Bundespolitik gewechselt bin. Hier kann man wirklich gestalten und im gesundheitspolitischen Sinne etwas bewirken. 

Was wollen Sie erreichen, damit es eine erfolgreiche Legislaturperiode wird?
Ich bin sehr guter Dinge, dass wir in der neuen Regierungskoalition gut zusammenarbeiten werden und bin froh, dass wir einen Finanzminister haben, der weiß pragmatisch mit Problemen umzugehen anstatt ideologischen Dogmen zu erliegen.

Da es derzeit keine andere Konstellation der politischen Mitte zur Regierungsbildung gibt, gilt es dieser erheblichen Verantwortung für Deutschland – die ein jeder von uns spürt - gerade im Bereich Gesundheit und Pflege gerecht zu werden.

bee/cmk

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