5 Fragen an...

„Der Verlust von Arten kann einen Verlust noch unentdeckter Wirkstoffe für Medikamente bedeuten“

  • Mittwoch, 5. März 2025

Rom – Vergangene Woche haben die Mitglieder der Vereinten Nationen (UN) über die Zukunft der Artenvielfalt debattiert. Die 16. UN-Biodiversitätskonferenz (COP 16) ist in Rom in eine Fortsetzung gegangen, nachdem die Verhandlungen in Kolumbien vergangenen November nicht in allen Punkten zu einem Abschluss gekommen waren.

Was auf der Konferenz wichtig war und was eigentlich die Artenvielfalt mit der menschlichen Gesundheit zu tun hat, erklärt die Fachtierärztin Kim Grützmacher für Wildtiere und Artenschutz, die Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Centre for Planetary Health Policy (CPHP) ist, dem Deutschen Ärzteblatt.

Kim Grützmacher/Nina Grützmacher Fotografie
Kim Grützmacher/Nina Grützmacher Fotografie

5 Fragen an Kim Grützmacher vom CPHP

Was ist das Ergebnis der Biodiversitätskonferenz?
Bei der COP 16 trafen sich die Vertragsstaaten, um den Fortschritt bei der Umsetzung des Globalen Biodiversitätsrahmens von Kunming-Montreal (Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework, KMGBF) zu bewerten, das 2022 bei COP 15 beschlossen wurde. Dieses wichtige Abkommen ist eine weltweite Strategie um den Verlust der Natur aufzuhalten und umzukehren.

Die wichtigsten Ergebnisse der COP 16, nach den Nachverhandlungen in Rom, sind die Einigung auf eine Strategie zur Mobilisierung von Ressourcen, von mindestens 200 Milliarden USD pro Jahr bis 2030; die Gründung des Cali-Fonds, der Beiträge von Unternehmen erhält, die genetische Ressourcen kommerziell nutzen; Fortschritte bei den Mechanismen zur Planung, Überwachung, Berichterstattung und Überprüfung des Globalen Biodiversitätsrahmens von Kunming-Montreal; eine stärkere Anerkennung der Rechte indigener Völker und lokaler Gemeinschaften sowie ihrer entscheidenden Rolle im Naturschutz und die Verabschiedung des globalen Aktionsplans für Biodiversität und Gesundheit.

Dieser freiwillige Aktionsplan dient als Leitfaden für Regierungen, um Maßnahmen an der Schnittstelle von biologischer Vielfalt und Gesundheit zu fördern und beschreibt eine Auswahl solcher Maßnahmen. Er ist zwar nicht verpflichtend, aber er erleichtert die Integration von Gesundheitsaspekten in nationale Biodiversitätsstrategien und Aktionspläne und kann einen Anknüpfungspunkt für Gesundheitsstrategien bilden.

Wieso ist die Biodiversitätskonferenz vergangenes Jahr abgebrochen worden?
Die Verhandlungen zu einzelnen Agendapunkten mussten am Ende der Konferenz im November in Cali, Kolumbien, vertagt werden, da sie in der vorgesehenen Zeit nicht beschlossen werden konnten — einige Delegationen mussten bereits abreisen, wodurch keine Beschlussfähigkeit mehr gegeben war. Um diese offenen Punkte zu klären, wurden die Verhandlungen im Februar 2025 in Rom wieder aufgenommen. Zentrale Themen dieser Gespräche waren die Mobilisierung von Finanzmitteln für den Biodiversitätsschutz und der Rahmen zur Überwachung der Fortschritte bei der Umsetzung des Globalen Biodiversitätsrahmens von Kunming-Montreal. Am 27. Februar 2025 wurde in Rom die Konferenz erfolgreich abgeschlossen.

Welchen Beitrag leistet Deutschland zum Schutz der biologischen Vielfalt?
Deutschland gehört zu den größten Geldgebern im internationalen Biodiversitätsschutz. Es hat sich verpflichtet, jährlich 1,5 Milliarden Euro für den globalen Schutz der Artenvielfalt bereitzustellen.

National befinden sich über die Hälfte der Lebensraumtypen in einem schlechten Zustand, die Bestände vieler Arten gehen zurück und es gibt kein standardisiertes Verfahren zur Erfassung der biologischen Vielfalt, was die Überwachung erschwert – die bisherigen Maßnahmen reichen also leider nicht aus.

Die neue Nationale Biodiversitätsstrategie (NBS), die sich am Globalen Biodiversitätsrahmen von Kunming-Montreal ausrichtet und im Dezember 2024 beschlossen wurde, soll diesen Entwicklungen entgegenwirken. Mittlerweile haben 137 Länder Pläne zur Zielerreichung des Globalen Biodiversitätsrahmens von Kunming-Montreal vorgelegt, von denen mehr als die Hälfte allerdings unzureichend sind um zentrale KMGBF Ziele zu erreichen.

Die NBS verfolgt 64 Ziele in 21 Bereichen und schließt auch das Handlungsfeld Gesundheit ein. Zur Gesundheit fehlen allerdings derzeit Indikatoren. Hier wäre eine Zusammenarbeit mit dem Gesundheitssektor sicher hilfreich. Insgesamt wird der Erfolg der NBS von seiner Finanzierung abhängen – dafür ist eine substanzielle Erhöhung der finanziellen Mittel notwendig. Ohne eine solche Verbesserung der Naturschutzfinanzierung auf nationaler und EU-Ebene werden die gesteckten Ziele nicht umgesetzt werden können.

Welchen Einfluss hat der Verlust der Biodiversität auf unsere Gesundheit?
Die biologische Vielfalt bietet zahlreiche sogenannte Ökosystemleistungen, die für unsere Gesundheit unverzichtbar sind: Funktionsfähige Ökosysteme tragen wesentlich zu sauberer Luft, reinem Wasser und einem stabilen Mikroklima bei.

Biodiversität ist wichtig für unsere Ernährung: sie sorgt für fruchtbare Böden, Bestäubung von Pflanzen und widerstandsfähige Agrarsysteme. Der Verlust von Bestäubern gefährdet Ernten, während ein Rückgang der genetischen Vielfalt die Anpassungsfähigkeit von Nutzpflanzen und -tieren an sich ändernde Umweltbedingungen einschränkt. Viele Wirkstoffe von Medikamenten stammen ursprünglich aus natürlichen Quellen – Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen. Der Verlust von Arten kann einen Verlust neuer, noch unentdeckter Wirkstoffe für Medikamente und Therapien bedeuten.

Wenn natürliche Lebensräume zerstört werden, kommen Wildtiere oft in engeren Kontakt mit dem Menschen, was das Risiko für die Übertragung oder Entstehung potenziell gefährlicher Krankheitserreger erhöht. Bekannte Beispiele dafür sind Ebola, Mpox, aviäre Influenza, SARS und wahrscheinlich auch COVID-19.

Der Zugang zu grünen Räumen, wie Wäldern oder Parks und blauen Räumen, wie Seen und Flüssen, hat nachweislich positive Effekte auf die psychische Gesundheit und unsere Stressbewältigung. Zeit in der Natur kann den Blutdruck senken und die Stimmung aufhellen. Zudem können Ökosysteme Menschen vor Katastrophen, wie Fluten und Überschwemmungen schützen und somit Gesundheitsfolgen reduzieren. Biologische Vielfalt spielt eine wichtige Rolle in der Bekämpfung und Anpassung an den Klimawandel – zum Beispiel können Ökosysteme große Mengen CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen und den darin enthaltenen Kohlenstoff speichern.

Wie lässt sich die Artenvielfalt und Gesundheit gemeinsam schützen?
Im Dezember 2024 hat der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) einen wichtigen Report dazu veröffentlicht, den sogenannten Nexus Report der nicht nur Biodiversität und Gesundheit verbindet, sondern auch die Zusammenhänge mit Wasser, Nahrung und Klimawandel. Der Nexus-Report ist das Ergebnis dreijähriger Arbeit von 165 Expertinnen und Experten aus 57 Ländern und wurde von 147 Regierungen angenommen. Er betont, wie wichtig ein ganzheitlicher Ansatz ist, um die miteinander verknüpften globalen Krisen zu bewältigen.

Der Bericht warnt davor, dass Lösungen, die sich nur auf ein Problem konzentrieren, oft negative Folgen in anderen Bereichen haben. Deshalb bietet er mehr als 60 konkrete Handlungsoptionen, um in fünf Schlüsselbereichen – biologische Vielfalt, Wasser, Ernährung, Gesundheit und Klimawandel – gemeinsame Vorteile zu maximieren.

Ein konkretes Beispiel aus Deutschland ist eine Initiative von der Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG), zusammen mit Health for Future und PAN (Physicians Association for Nutrition), die sich für eine gesunde und nachhaltige Ernährung in Gesundheitseinrichtungen einsetzen und ein konkretes Beispiel dazu das Projekt NURISHD der Charité, gefördert von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt. Dies sind gute Beispiele dafür, wie auch die Zivilgesellschaft ihren Beitrag leisten kann.

aha/mim

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